München – Bei der Anlegerpleite um die P&R-Firmengruppe wird es für Betroffene immer bitterer: Denn Insolvenzverwalter Michael Jaffé hat jetzt begonnen, Nachforderungen durchzusetzen, womit Anleger erneut zur Kasse gebeten werden.
Zur Erinnerung: 2018 sind nach und nach mehrere P&R-Firmen, die für Privatanleger in Schiffscontainer investiert hatten, insolvent gegangen. Mit bundesweit 54 000 Geschädigten und einer Anlagesumme von rund 3,5 Milliarden Euro war das die wohl größte Anlegerpleite aller Zeiten in Deutschland. Die jetzigen Nachforderungen betreffen Ausschüttungen, die Anleger in den vier Jahren vor der Insolvenz bekommen haben. Sie reichen also bis 2014 zurück.
Anleger erhalten Post vom Insolvenzverwalter
Erste Aufforderungen zur Rückzahlung hat Jaffé nun verschickt. „Nach den uns vorliegenden Unterlagen haben Sie im Zeitraum zwischen dem 27.4.2015 und 7.2.2018 Zahlungen von der P&R Container Leasing in Höhe von insgesamt 1016,56 Euro erhalten, hinsichtlich denen eine Anfechtung anzunehmen ist“, schreibt Jaffé an eine P&R-Anlegerin. Er fordert die Geschädigte auf, die gut 1000 Euro bis 22. Oktober zu überweisen. Andernfalls droht er mit einer Klage. Der Insolvenzverwalter rät noch, sich zeitnah rechtlichen Rat einzuholen.
Anwälte raten, nicht zu bezahlen
Ein Experte für Bank- und Kapitalmarktrecht ist der Münchner Rechtsanwalt Peter Mattil, dessen Kanzlei viele P&R-Geschädigte vertritt. Er sitzt auch in P&R-Gläubigerausschüssen. „Wir raten, keine Zahlung zu leisten“, sagt Mattil zu Jaffés finanziellen Forderungen. Denn dieser habe schlechte Karten, seine Nachforderungen durchzusetzen. Jaffés Sichtweise teilt der Anwalt nicht.
Denn die sieht so aus: Die P&R-Gruppe habe spätestens ab 2010 den Geschäftsbetrieb nur dadurch aufrechterhalten können, dass sie fällige Ansprüche im Stil eines Schneeballsystems mit frischen Anlegergeldern bedient hat, sagt Jaffé. Zudem hätten Anleger nur vermeintlich Eigentum erworben, weil mit ihrem Geld vertragsbrüchig vielfach keine Container gekauft worden seien. Von 1,6 Millionen dieser Transportboxen, die eigentlich vorhanden hätten sein müssen, hat Jaffé nur rund 600 000 Stück aufspüren können. Eine Million Container fehlen also. An nicht existierenden Containern könne man kein Eigentum erwerben, argumentiert der Insolvenzverwalter. Hinsichtlich der Auszahlungen an Anleger in den vergangenen vier Jahren liege deshalb der Tatbestand einer Schenkung vor, was eine Rechtsgrundlage für Rückforderungen sei.
Strittig, ob Eigentum erworben wurde
Mattil ist dagegen der Meinung, dass Anleger durchaus Eigentum erworben haben, weshalb alle Nachforderungen nichtig sind. Einig sind sich beide Juristen nur insofern, als sie einräumen, dass es bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung für den komplizierten Sachverhalt bei P&R gibt. Die wolle man mit rund 25 nun angestoßenen Pilotprozessen für die große Masse potenzieller Rückforderungen erreichen, lässt Jaffé erklären. Er geht nicht davon aus, dass die von ihm angeschriebenen Anleger zahlen, und bereitet Klagen vor. Die Angeschriebenen seien repräsentative Fälle, erklärt Jaffé. Zudem seien solche Personen ausgewählt worden, die selbst keine Forderungen im Insolvenzverfahren haben, da ihre Anlage vor der Pleite komplett zurückgeführt worden ist. Vorerst geht es also nur um Anleger, die bislang hoffen konnten, dem Schneeballsystem gerade noch rechtzeitig entkommen zu sein.
Nachzahlung in Höhe von bis zu 30 000 Euro
Das stellt sich nun als Irrtum heraus. Von Jaffé aktuell gefordert werden meist Summen zwischen 9000 und 30 000 Euro. Man habe auch darauf geachtet, Anleger anzuschreiben, die aller Voraussicht nach in der Lage sind, eine Klage führen zu können, sagt Jaffé. Damit gemeint ist, dass sie noch nicht allzu betagt sind. Denn ein Großteil der P&R-Anleger ist betagt.
Letzte Instanz ist der Bundesgerichtshof
Senioren wollten mit vermeintlich sicheren Investitionen in Schiffscontainer vielfach ihren Lebensabend finanzieren. Sollte Jaffé letztinstanzlich mit seiner juristischen Sicht Recht bekommen, werde es tausende Rückforderungen geben mit Ansprüchen insgesamt in Höhe mehrerer hundert Millionen Euro, schätzt Mattil. Letzte Instanz sei der Bundesgerichtshof. Drei bis fünf Jahre werde es wohl dauern, bis dort für Klarheit gesorgt wird. Neuer Schrecken unter den P&R-Anlegern werde aber schon jetzt mit Jaffés Pilotverfahren verbreitet.
Dieser Schrecken wird sogar vererbt: Sterben Geschädigte, die vor Gericht klagen, gingen alle Forderungen an die Erben über, erklärt Mattil. Er erhalte schon jetzt ständig Schreiben von Hinterbliebenen, die wissen wollen, was sie jetzt tun sollen. Die P&R-Pleite wirkt über so manchen Tod hinaus.