Bayerns Höhenflug ist vorbei

von Redaktion

Die Boom-Jahre in der bayerischen Wirtschaft sind vorbei. Das überrascht nicht, wohl aber die Heftigkeit des Stimmungseinbruchs. Es ist der stärkste Knick seit den Jahren der Finanzkrise 2008/2009.

VON MARTIN PREM

München – Wirtschaft lebt von harten Daten. Daher geht es bei Konjunkturumfragen stets um die Lage. Doch Wirtschaft lebt auch von Psychologie. Und deshalb ist die Frage nach den Erwartungen von Wirtschaftsakteuren an die Zukunft noch wichtiger. Die Antworten sind ein Frühindikator für die Zukunft. Und kaum eine Basis ist breiter als die 3700 Unternehmen, die bei der Herbstumfrage des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK) befragt wurden. Deren Urteil sieht gar nicht gut aus. Der daraus errechnete Index sank zum fünften Mal in Folge. Die Wirtschaft wird demnach nur noch vom privaten Konsum gestützt. Der Saldo der Erwartungen ist in der Herbstumfrage auf minus fünf gestürzt. Nur in Jahren tiefer Krisen (1996, 2003 und 2009 war der Wert noch schlechter. „Der seit 2012 andauernde Aufschwung ist endgültig vorbei“, sagte BIHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl. Dieser Saldo ist die Differenz zwischen der Prozentzahl der Optimisten und der der Pessimisten. Der erste Wert ist seit Anfang 2018 von Umfrage zu Umfrage geschrumpft, der zweite Wert ist gestiegen.

Den Boom der letzten Jahre hat die Industrie angetrieben, insbesondere exportorientierte Branchen wie die Autoindustrie. Und in diesem wichtigen Bereich ist das Erwartungssaldo seit Anfang 2018 von plus 21 auf minus 13 gefallen. Ein tiefer Sturz, der sich auch auf dem Arbeitsmarkt auswirkt. 14 Prozent der Unternehmen rechnen noch mit zunehmender Beschäftigung, 24 Prozent mit abnehmender. Allerdings planen in Bayern weniger als 4,5 Prozent der Unternehmen einen Stellenabbau über Kündigungen. Die meisten begnügen sich mit der natürlichen Fluktuation. Und viele bauen Personal gar nicht aus betrieblichen Gründen ab. Sie finden für ausscheidende Fachkräfte keinen Ersatz.

Die demografische Entwicklung wird den Mangel verschärfen und verändern. Es sind nicht mehr nur IT-Stellen, die schwer besetzt werden können. Viele Unternehmen sind auch wieder händeringend auf der Suche nach Angestellten mit kaufmännischem Hintergrund, berichtet Gößl.

Der Fachkräftemangel ist für den BIHK aber nur ein Hindernis, das den heimischen Unternehmen bei einem späteren konjunkturellen Durchstarten im Weg stehen wird. Gößl nennt die Steuerlast der Unternehmen, die in Deutschland bei 30 Prozent verharrt, während konkurrierende Länder 25 Prozent anstreben oder sogar unterbieten. Er fordert außerdem, nachträgliche Steuerprüfungen, die wie ein Damoklesschwert über Unternehmen hängen, durch eine begleitende Kontrolle zu ersetzen, wie es in Österreich bereits möglich ist.

Um Unternehmen Investitionen zu erleichtern, will der DIHK auch die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung, die sich in den ersten Jahren nach der getätigten Ausgabe verstärkt steuermindernd auswirkt. Eine Entlastung ist aus Sicht Gößls auch bei den im internationalen Vergleich hohen Strompreisen für die Wirtschaft notwendig.

Nicht nur ein Standortnachteil, sondern geradezu „peinlich“ ist nach Gößls Worten für Deutschland die Telekommunikationsinfrastruktur. Rund 40 Prozent der Betriebe sind mit der Versorgung mit Breitband und Mobilfunk-Technologie unzufrieden.

Angesichts der zahlreichen Sorgen um die Zukunft ist die aktuelle Situation für Bayerns Wirtschaft nach wie vor gut. 46 Prozent aller Unternehmen geht es nach eigener Einschätzung gut, nur 11 Prozent schlecht. Am günstigsten ist die Lage im Bauhauptgewerbe. Drei von vier Unternehmen bewerten die Lage positiv. Nur vier Prozent schätzen die Lage negativ ein.

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