Draghi: „Geschenkt ist geschenkt“

von Redaktion

Zu Mario Draghis Abschied bekräftigen Europas Währungshüter ihre Politik des extrem billigen Geldes. Seiner Nachfolgerin bleibt wenig Spielraum. Sparer können absehbar nicht mit steigenden Zinsen rechnen.

VON ROLF OBERTREIS UND JÖRN BENDER

Frankfurt – Mario Draghis Amtszeit als EZB-Präsident endet mit einer Zementierung des Zinstiefs. In der letzten Sitzung unter Leitung des Italieners bekräftigte der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) den Mitte September nochmals verschärften ultralockeren Kurs.

Mit einem Leitzins auf dem Rekordtief von null Prozent, Negativzinsen von 0,5 Prozent für geparkte Gelder von Banken und frischen Milliarden für den Kauf von Staatsanleihen will die EZB Konjunktur und Inflation im Euroraum auf die Sprünge helfen.

„Leider hat alles, was seit September passiert ist, im Übermaß gezeigt, dass die Entschlossenheit des EZB-Rates zu handeln berechtigt war“, sagte Draghi am Donnerstag in Frankfurt. „Wenn es etwas gibt, worauf ich stolz bin, dann darauf, dass wir unser Mandat immer weiterverfolgt haben. Gib niemals auf!“

Am Schluss findet Mario Draghi sogar noch ein paar deutsche Worte und zitiert in der fünften Etage im Konferenzsaal der Europäischen Zentralbank (EZB) ein deutsches Sprichwort. „Geschenkt ist geschenkt“, sagte er auf die Frage, ob er die Pickelhaube, die ihm eine große Zeitung 2012 als Zeichen preußischer Tugend überreicht hatte, zurückgeben werde.

Überhaupt gibt sich der Präsident der EZB bei seinem letzten Auftritt gelöst und locker. Er scherzt nach der letzten von ihm geleiteten Ratssitzung – an der auch seine Nachfolgerin Christine Lagarde teilgenommen hat, ohne mitzudiskutieren – mit den Journalisten. Was er denn nun machen wolle? „Da fragen Sie am besten meine Frau“, erklärt er.  Draghi will auch nicht sagen, was er möglicherweise falsch oder was er richtig gemacht hat. Das könne er nicht beantworten. Aber ein Fazit zieht er dann doch. Präsident der zweitwichtigsten Notenbank gewesen zu sein, sei eine „intensive und faszinierende Erfahrung“ gewesen.

Er widerspricht der Auffassung, dass die Stimmung im Gremium nach den Beschlüssen vom September zur weiteren Lockerung der Geldpolitik schlecht sei. Zur öffentlich geäußerten, deutlichen Kritik will Draghi nichts sagen. Nur so viel: „Die Geldpolitik wird weiter ihre Aufgabe erfüllen.“ Und natürlich gibt er sich überzeugt, dass die von ihm veranlassten Beschlüsse Wirkung zeigen. „Die Negativzinsen haben die Konjunktur und die Beschäftigung angeschoben. Die Vorteile haben die Nachteile deutlich übertroffen.“ Die EZB habe auch mit den Beschlüssen zur weiteren Lockerung ihrer Politik im September richtig gehandelt.

Er räumt aber auch ein, dass die Notenbank 2017 eigentlich den Kurs hatte ändern und den Weg der großzügigen Geldpolitik hatte verlassen wollen. „Aber die Umstände haben es dann nicht zugelassen.“ Jetzt würden die Zinsen für lange Zeit niedrig bleiben.

Die achtjährige Amtszeit des 72-Jährigen endet am 31. Oktober. Zum 1. November rückt die bisherige Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde (63), als erste Frau auf den EZB-Chefposten. Lagarde übernimmt einen gespaltenen EZB-Rat. „Die Schockwellen der September-Beschlüsse hallen immer noch durch die Flure des EZB-Gebäudes“, so ING-Deutschland-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Gleich mehrere nationale Notenbankchefs hatten sich öffentlich distanziert – vor allem von neuen Anleihenkäufen. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann beispielsweise sagte, die EZB sei „über das Ziel hinausgeschossen“.

Vor allem in Deutschland wird Draghis Erbe kritisch gesehen. „Die EZB wird alles tun, um den Euro zu retten“, versprach Europas oberster Währungshüter im Sommer 2012: „Whatever it takes.“ Draghis Machtwort stabilisierte die Eurozone in der tiefsten Krise ihrer jungen Geschichte – das gestehen sogar seine Kritiker dem scheidenden EZB-Präsidenten zu.

Am Montag kommen Kommissionspräsident Jean Claude Juncker mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, seinem italienischen Kollegen Sergi Mattarella und seiner Nachfolgerin Lagarde zum großen Abschiedsempfang für Draghi.

Artikel 5 von 6