München – Seit Monaten ist der taumelnde Lichtkonzern Osram Spielball potenzieller Käufer. „Wir müssen zu einem Ende kommen“, stellte Firmenchef Olaf Berlien zur Vorlage einer tiefroten Bilanz in München klar. Folglich begrüßen Vorstand und Aufsichtsrat nun eine erneute Übernahmeofferte des Sensorherstellers AMS. Ein erstes Angebot hatte Berlien noch abgelehnt. Nun sei aber nachverhandelt worden. „Wir haben fast eine Fusion unter Gleichen erreicht“, findet der Osram-Boss.
Das sehen speziell auf der Arbeitnehmerseite nicht alle so. „Wir wenden uns genauso entschieden gegen die Übernahme durch AMS wie gegen dieses Kaputtsparen“, kritisiert der bei der IG Metall für Osram zuständige Klaus Abel. Hinter Letzterem verbirgt sich neuer Stellenabbau. Allein in Deutschland wolle Osram 800 von noch 5600 Jobs, also nochmals jeden siebten Arbeitsplatz streichen, sagt die Gewerkschaft. Im Ausland stünden weitere der konzernweit noch gut 23 500 Stellen vor dem Aus. Vor allem das Osram-Werk in Berlin mit seinen 700 Beschäftigten zittert. Kleinere Standorte in Deutschland könnten ganz geschlossen werden.
Das Personal ist zunehmend verzweifelt. Allein im abgelaufenen Geschäftsjahr wurden schon 2340 Jobs gestrichen. Weitere Abbaurunden sowie den Verkauf großer Firmenteile gab es in Vorjahren. Berlien widerspricht für die neue Sparrunde. Die Zahl von 800 Arbeitsplätzen stimme so nicht, sagt er, ohne konkret zu werden. Erneut abbauen müsse Osram nicht wegen der geplanten Übernahme durch AMS, sondern wegen anhaltender Schwäche von Abnehmern wie der Kfz-Industrie und des gravierenden Technologiewandels in der Lichtbranche.
In einer Vereinbarung mit AMS sei gelungen, erweiterte Schutzrechte für heimische Stellen und Standorte zu fixieren. Bis Ende 2022 dürfe in Deutschland demnach fusionsbedingt kein Job gestrichen werden. Das wiederum bezweifelt die IG Metall und blickt dabei auf das Wort „fusionsbedingt“. Die Erklärungen von AMS zu Standorten und Arbeitsplätzen seien „nicht wirklich rechtssicher“, warnt die Gewerkschaft. Wenn man einen anderen Grund als die Fusion finde, könne zudem sehr wohl abgebaut werden.
Unterstellt wird, dass das Osram-Management mit der neuen Sparrunde in vorauseilendem Gehorsam die schmutzige Arbeit für AMS verrichte. Dem widerspricht Berlien, der nach einem Horrorjahr dennoch wie ein Getriebener wirkt.
Die Umsätze von Osram sind im Geschäftsjahr 2018/19 (zum 30. September) um gut 13 Prozent auf unter 3,5 Milliarden Euro gesunken. Nach Steuern haben die Münchner vor allem auch wegen hoher Abschreibungen auf Firmenwerte 343 Millionen Euro Verlust verbucht nach 188 Millionen Euro Jahresüberschuss im Jahr davor. Die Dividende wird gestrichen. Viel besser dürfte es im laufenden Geschäftsjahr nicht werden.
Anhaltende Sanierungskosten und vor allem der neue Jobabbau könnten weitere Verluste bescheren. In dieser Situation wirkt eine Übernahme durch AMS wie die letzte Hoffnung für Osram.
Betriebsräte und IG Metall sehen auch das anders. Wenn AMS mit der bis 5. Dezember laufenden Übernahmeofferte zum Zuge kommt, bringe das eine immense Verschuldung, die in verfallenden Märkten wie Blei auf beiden Unternehmen liegen würde. AMS bietet 41 Euro je Osram-Aktie und bewertet Osram als Ganzes mit 4,6 Milliarden Euro. Sollten sich ambitionierte Wachstumshoffnungen bei Milliardenschulden nicht schnell erfüllen, drohe das Schlimmste, warnt die IG Metall. Auch der Osram-Betriebsrat zieht deshalb alle Register, um die Übernahme noch zu verhindern. Dazu wurde vor dem Landgericht Frankfurt Beschwerde eingelegt gegen den Beschluss der deutschen Finanzaufsicht Bafin, die Übernahmeofferte zu genehmigen. Die Österreicher haben dabei zwar eine Gesetzeslücke ausgenutzt, aber nicht gegen Gesetze verstoßen, sagen Juristen. Der Betriebsrat klagt trotzdem.
Gut an den Vereinbarungen von Osram mit AMS finden Personal und IG Metall nur die Bestellung von Brigitte Ederer als eine Art Schlichterin. Die Österreicherin kennt als ehemalige Siemens-Personalchefin die Verhältnisse genau. Befriedend wirkt aber auch sie bislang nicht. Kommenden Montag ruft die IG Metall zu einem bundesweiten Aktionstag auf. Schwerpunkte der Aktion sind München und Berlin. Zur Ruhe kommt Osram vorerst nicht.