Verpackungsmüll nimmt weiter zu

von Redaktion

Pakete aus dem Internetkaufhaus, Fertigsalat aus der Plastikbox, Kaffee zum Mitnehmen – mit neuen Einkaufsgewohnheiten nimmt der Verpackungsmüll in Deutschland zu. Das Umweltbundesamt macht einen Rekord aus: Pro Kopf und Jahr fallen rund 227 Kilo an.

VON HANNA GERSMANN

Berlin – Eigentlich wollen die Deutschen weniger Plastik – weg von Ex und Hopp und immer mehr Verpackungsmüll. Doch das Gegenteil ist eingetreten: Allein im Jahr 2017 haben die Deutschen 18,7 Millionen Tonnen Verpackungen in den Müll geworfen, Um- und Transportverpackungen inklusive. Rekord, genauer: drei Prozent mehr als noch im Jahr davor. Pro Kopf macht das 226,5 Kilo. Das sind die neuesten Zahlen, die dem „Bericht zu Aufkommen und Verwertung von Verpackungen in Deutschland“ zu entnehmen sind, den das Umweltbundesamt heute veröffentlicht.

Für die Chefin des Umweltbundesamtes, Maria Krautzberger, fängt das Problem schon mit der Zahnpasta an. Denn viele Tuben seinen zusätzlich noch in Karton, dieser wiederum in Folie eingepackt. Sie fordert: „Wir müssen Abfälle vermeiden, möglichst schon in der Produktionsphase.“ Auf „unnötige und unnötig materialintensive Verpackungen“ solle verzichtet werden. Der wachsende Müllberg habe mit dem Wirtschaftswachstum zu tun, aber auch mit den derzeitigen Lebens- und Einkaufsgewohnheiten. Drei Beispiele:

Erstens, heißt es in dem Bericht: „Der Verbrauch von Kartonagen und Folien für die Lieferung über den Versandhandel steigt.“ Egal, aus welchem Internet-Kaufhaus etwas kommt – an Verpackung wird nicht gespart. Zweitens gäbe es immer mehr Flüssigwaschmittel in Flaschen. Drittens böten Supermärkte Ananas und den Salat schon geputzt und geschnitten in Plastikbechern an.

Fertiggerichte, Tiefkühlkost – all das wird ohnehin beliebter. Zudem wird die Gesellschaft älter, und die Haushalte werden kleiner. Senioren und Singles greifen gerne zu kleineren Portionsgrößen. Das Umweltbundesamt rechnet aber vor: Wer den 200-Gramm-Sahnebecher durch eine 7,5-Gramm-Portionsverpackung Kaffeesahne ersetzt, erhöht den Verpackungsverbrauch um gut 38 Prozent. Nimmt man den Käse nicht am Stück, sondern die Scheiben in Folie, sorge man sogar schnell für fast das Vierfache an Plastikmüll.

So bekommen die Mülltonnen immer mehr zu schlucken. Dabei nimmt sich Deutschland schon seit 35 Jahren einen anderen Umgang mit dem Müll vor. 1994 ersann der damalige CDU-Bundesumweltminister Klaus Töpfer das Kreislaufwirtschaftsgesetz. Seither sammeln und sortieren die Deutschen ihren Müll in verschiedene Tonnen – Altpapier in die blaue, Verpackungen in die gelbe, Glas in den Extracontainer, Restmüll in die graue. Denn: Wenn sich der Müll schon nicht vermeiden lässt, soll er zumindest recycelt werden können. Nur: Er nimmt verschiedene Wege – und nicht immer den in die Recyclinganlage.

Je nach Art der Verpackung sieht die Recyclingquote unterschiedlich aus: Bei Papier und Karton liegt sie laut den neuen Zahlen bei knapp 88 Prozent. Bei Glas sind es knapp 85, bei Kunststoffverpackungen jedoch nur knapp 50. Und selbst diese Zahl ist trügerisch: Gezählt wird nicht etwa, was am Ende tatsächlich recycelt wird, sondern das, was einer Sortieranlage zugeführt wird. Der Kunststoff-Kreislauf ist alles andere als perfekt.

Aus einer alten Reinigungsmittelflasche kann wieder eine neue werden – das geht. Als Vorreiter gilt die mittelständische Firma Werner Mertz mit der Öko-Marke Frosch. Bisher ist das jedoch selten. Das hat auch technische Gründe. Die Farbe schwarz zum Beispiel ist für die meisten Sortiermaschinen schwierig. Sie können zwischen dem schwarzen Fließband und dem schwarzen Kunststoff nicht richtig unterscheiden. Aber auch die Verpackungen für den Scheibenkäse sind schlecht zu recyceln, weil mehrere verschiedene Folien miteinander verschweißt sind – eine, die vor Licht schützt, eine vor hoher Temperatur.

Seit Anfang dieses Jahres hat Deutschland zwar ein neues Verpackungsgesetz. Mit ihm werden höhere Recyclingquoten für den Gelben-Sack-Müll gefordert, mit ihm kam auch eine „Zentrale Stelle Verpackungsregister“. Alle Firmen, die Verpackungen in Umlauf bringen, müssen sich in dieses Register eintragen. Und: Hersteller sollen an die Entsorgungsfirmen theoretisch mehr zahlen als andere, wenn ihre Produkte aus Neu-Plastik bestehen oder sich schlecht recyceln lassen. Doch gibt es grundsätzlich wenig ökonomische Anreize, Rezyklate zu nutzen. Neu produzierter Kunststoff aus Rohöl ist noch immer unschlagbar günstig.

Letzte Zahl: 2017 wurden so wenig Getränke in Mehrwegflaschen verkauft wie nie zuvor. Stattdessen werden die meisten in Einwegkunststoffflaschen abgefüllt, ihr Marktanteil liegt mittlerweile bei 52 Prozent.

Artikel 2 von 5