Fünf nach zwölf bei Osram

von Redaktion

Große Teile der bundesweit 5600 Mitarbeiter des Lichtkonzerns Osram protestieren in München und Berlin. Sie machen Front gegen Stellenabbau und eine drohende Übernahme des Unternehmens.

VON THOMAS MAGENHEIM-HÖRMANN

München – Wenn eine Protestaktion symbolträchtig um 12.05 Uhr beginnt, scheint schon alles zu spät zu sein. „Fünf nach zwölf bedeutet nicht, dass es das Ende ist“, ruft Klaus Abel als Aufsichtsratsvize des Lichttechnikkonzerns Osram vor dessen Münchner Konzernzentrale ins Mikrofon. Es ist laut dort, wofür hunderte Trillerpfeifen oder Sprechchöre wie „Berlien raus“ sorgen. Für Osram-Chef Olaf Berlien ist das nicht gerade schmeichelhaft.

Die rund 600 Protestierenden aus allen deutschen Osram-Standorten fühlen sich von der Konzernführung verraten. Nach anfänglichem Widerstand befürwortet Berlien nun nicht nur eine Übernahme durch den österreichischen Sensorhersteller AMS. Berlien will bei Osram auch Stellen streichen.

Rund 800 Jobs allein in Deutschland seien akut bedroht, sagt Abel. Er sagt auch, dass die unbestreitbaren Probleme, die Osram aktuell hat, mit einer Übernahme durch AMS nicht besser, sondern schlimmer würden. Deshalb wollen Betriebsräte nun nicht nur einen erneuten Kahlschlag im Personal, sondern auch eine Übernahme durch AMS mit aller Macht verhindern.

Die Demonstration vor der Osram-Zentrale, die zeitlich parallel von einer weiteren Protestaktion am Osram-Standort Berlin begleitet wird, soll das auch für den Vorstand sichtbar machen. Wenn es stimmt, was Betriebsräte erfahren haben, soll es die Standorte München, Herbrechtingen und Berlin am härtesten treffen.

Demnach will Osram in der Münchner Zentrale 270 und im baden-württembergischen Herbrechtingen 260 Jobs streichen. Zudem würden in Herbrechtingen 55 befristete Stellen nicht verlängert, sagt ein dortiger Betriebsrat. Der Standort fertigt vor allem auch Halogenlampen, die im LED-Zeitalter kaum noch nachgefragt werden. Das Management sorge allerdings auch nicht dafür, dass alternative Ersatzprodukte mit Zukunft dort ins Programm kommen, wettert der Betriebsrat. Wie er argumentieren Kollegen anderer Osram-Standorte. In Berlin sollen rund 200 Jobs auf der Streichliste stehen.

Die Vertreter des Mini-Standorts Wipperfürth in Nordrhein-Westfalen mit 26 Beschäftigten haben eine Puppe am Galgen zur Demonstration nach München mitgebracht. Sie trägt ein Osram-T-Shirt. „Das ist unsere Zukunft“, sagt ein 49-Jähriger, der dort als Ingenieur für Osram arbeitet. Wipperfürth werde geschlossen, habe das Management erklärt. Kollegen aus Arnsberg haben das auch für ihren eigenen Kleinstandort in Nordrhein-Westfalen mit 22 Stellen erfahren.

Drinnen in der Konzernzentrale widerspricht Osram-Vorstand Stefan Kampmann. Es gebe noch keine fixen Abbauzahlen oder Schließungsbeschlüsse für Standorte. Standortgarantien allerdings auch nicht. IG Metall und Betriebsräte würden lediglich Kostensparziele auf Stellen hochrechnen. Das soll heißen: Es gibt noch Verhandlungsmasse. Weniger flexibel gibt sich der Technik-Vorstand beim zweiten Grund für den Protesttag bei Osram. Das ist die geplante Übernahme durch den Sensorhersteller AMS aus Premstetten bei Graz. Die sei strategisch richtig und seriös finanziert.

Alles schlimmer machen würde das die Lage dagegen nach Lesart von IG Metall und Osram-Betriebsräten, weil ein Kauf auf Pump finanziert wäre und Milliardenschulden hinterlassen würde. Der AMS-Plan, die rasch wieder abzubauen, baue auf optimistischen Annahmen zur Steigerung der Profitabilität und das in kriselnden Abnehmermärkten, kritisiert Abel.

Nicht nur ihm ist beim Gedanken daran mulmig. „Die nehmen den Laden auseinander“, fürchtet ein Mitarbeiter auf der Demo und meint damit eine Zerschlagung des über 100-jährigen Traditionskonzerns. Mit dem geplanten Abbau von 800 Stellen würde das Osram-Management „die Drecksarbeit für AMS machen“, mutmaßt ein anderer Osram-Mitarbeiter.

Am Nachmittag scheiterte der Osram-Betriebsrat mit dem Versuch, eine Übernahme durch AMS gerichtlich zu stoppen. Das Frankfurter Oberlandesgericht (OLG) lehnte den Antrag auf eine einstweilige Verfügung gegen die Finanzaufsicht Bafin gestern ab.

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