Audi: Rosskur für die deutschen Werke

von Redaktion

Audi will sparen. Die VW-Tochter streicht an ihren deutschen Standorten 9500 von 61 000 bestehenden Stellen. Das aber soll ganz ohne Entlassung vor sich gehen.

VON MARTIN PREM

Ingolstadt – Der ungebremste Höhenflug war schon längere Zeit zu Ende. Keiner redete mehr davon, dass Audi bald Mercedes und BMW hinter sich lassen wollte, wie es der frühere Audi-Chef Rupert Stadler bei jeder sich bietenden Gelegenheit versprach. Der Absatz stockte. Und auch die Audi-Verstrickung in die VW-Dieselaffäre, die sich als immer tiefer erwies, zehrte am früher tadellosen Ruf.

Im größten bayerischen Autowerk in Ingolstadt rollten nur noch 491 000 Fahrzeuge vom Band, statt der gewohnten Zahl von deutlich über 500 000. Und im kleineren Werk Neckarsulm, das für 300 000 Autos ausgelegt ist, waren es gerade noch 186 000. Es war allen Beteiligten klar, dass die anstehenden Gespräche über Kapazitätsabbau kein Spaziergang werden.

Da standen böse Befürchtungen im Raum: Etwa dass in Neckarsulm gar nicht mehr in Zukunftstechnologien investiert werde und das frühere NSU-Werk allmählich ausbluten würde. Und längst haben die Werke in Gjör (Ungarn) und San José Chipa (Mexiko) bewiesen, dass man auch dort Autos auf Premium-Niveau bauen kann. Und der wichtigste Audi-Markt China lässt ohnehin nur ungern Autos ins Land, die außerhalb gebaut wurden.

Es kam nun doch nicht so schlimm. Und so dürfte der Audi-Gesamtbetriebsrat wohl der erste sein, der einen Aderlass beim Personal von 15,7 Prozent als Erfolg verkaufen kann: 9500 Stellen von 61 000 an den deutschen Standorten werden abgebaut.

Das geht immerhin ohne betriebsbedingte Kündigungen. Der Betriebsrat holte sogar heraus, dass der bestehende Kündigungsschutz für Audianer, der bis 2025 garantiert war, um vier Jahre verlängert wurde.

Allzu hart kam das Zugeständnis dem Management unter das Noch-Audi-Chef Bram Schot nicht an. Denn im Verlängerungszeitraumkommen die Jahrgänge von 1958 bis 1962 ins Rentenalter. Das sind die geburtenstarken Jahre vor dem Pillenknick. Da gehen so viele, dass auch ein erneuter starker Aderlass ganz ohne Kündigung möglich wäre.

Bei den jetzt geplanten Streichungen will Audi auch in die Abbau-Trickkiste greifen. Vorruhestand und Altersteilzeit dürften ausreichen, das gesetzte Ziel überzuerfüllen. Das muss auch geschehen. Denn Audi will auch weiterhin auf konstantem Niveau ausbilden. Das hat nur Sinn, wenn der Nachwuchs anschließend eine Chance auf eine Anstellung hat.

Netto soll der Personalabbau geringer ausfallen, denn Audi will auch 2000 neue Stellen für Zukunftsfelder wie Digitalisierung und Elektrifizierung schaffen. Grundsätzlich können sich auch bereits Beschäftigte darum bemühen. Ob sich aber genug erfahrene Mitarbeiter in der Fahrzeugmontage finden, die eine zweite Karriere als Fachkraft für Elektromobilität oder Digitalisierung anstreben, gilt als unwahrscheinlich.

Die Zahl 2000 ist für die Betriebsräte aus einem anderem Grund ein wichtiges Signal: Sie steht dafür, dass Audi auch in Deutschland in Zukunftsfelder investiert. Außerdem werden beide Werke für den Bau von Elektroautos ertüchtigt, die dann doch noch in Deutschland gebaut werden können. Zukunftssicherung also gegen Zustimmung zum Personalabbau. Eine Art Rosskur zur Gesundung der deutschen Werke.

Das Werk Ingolstadt wird künftig auf eine Kapazität von 450 000 Fahrzeugen im Jahr ausgelegt, das Werk Neckarsulm auf 225 000. „Wir haben einen wichtigen Meilenstein erreicht“, sagte der Audi-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Peter Mosch. „Die Arbeitsplätze der Stammbelegschaft sind sicher.“

Allerdings mussten die Beschäftigten eine Kröte schlucken. „Wenn Audi finanziell an die Ergebnisse der Vorjahre anknüpfen kann, wird sich die durchschnittliche Ergebnisbeteiligung auf dem hohen Niveau der Vorjahre bewegen“, heißt es in der Grundsatzvereinbarung. Das ist vage. Und erst ein Ergebnis „das signifikant über dem der Vorjahre liegt“, führt zu Gesprächen über mehr Geld auch für die Audi-Mitarbeiter.

Das gesamte Paket verantwortet noch Audi-Chef Bram Schot, der seinen Stuhl räumen muss. Ein Stück Starthilfe für den Nachfolger Markus Duesmann. Der ehemalige BMW-Einkaufsvorstand kann seinen neuen Job unbelastet von akuten Sparzwängen antreten.

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