Die besten Erfinder von Siemens

von Redaktion

Fünf Jahre hat ein Siemens-Forscherteam an einem Reaktor getüftelt, der Kohlendioxid in einen Kraftstoff verwandelt. Nun wird ein Prototyp gebaut. Das Potenzial ist groß.

VON THOMAS MAGENHEIM-HÖRMANN

München – Roland Busch weiß, worauf es ankommt. „Erst wenn eine Erfindung am Markt auch Geld einbringt, wird sie zur Innovation“, stellt der Technologiechef des Münchner Siemens-Konzerns klar. Bei den 23 Erfindern, die Siemens jüngst intern als Forscher des Jahres ausgezeichnet hat, sollen aus den Geistesblitzen möglichst ausnahmslos Innovationen werden. Sie reichen von getriebelosen Windrädern über Algorithmen für Mammografie zur Früherkennung von Brustkrebs bis zu grünen Kraftstoffen.

Letzteres birgt großes Potenzial. „Wir sind in einem Milliardenmarkt“, meint Manfred Baldauf. Der 53-jährige Chemiker ist Teil eines vierköpfigen Forscherteams, das für Siemens einen neuartigen Reaktor zur Verarbeitung des Klimakillers Kohlendioxid (CO2) zu Treibstoff erfunden hat. Es könnte ein großes Geschäft daraus werden. „Mein Traum ist ein Energiesystem, das klimaneutral läuft“, sagt Peter Wasserscheid. Auch der 49-Jährige zählt zum Forscherteam. Als Einziger des Quartetts ist er nicht bei Siemens, sondern der Universität Erlangen-Nürnberg angestellt.

„Überlegt euch, wie wir CO2 nutzen können“, sei der Arbeitsauftrag gewesen, erinnert sich Baldauf. Es müsse sinnvollere Wege geben, mit dem Klimakiller umzugehen, als ihn im Gestein zu verpressen. Herausgekommen ist die Idee, CO2 und grünen Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, in einem neuartigen Reaktor zu Methanol zu machen, das man Benzin beimischen kann. Der so entstehende Kreislauf reduziere zwar nicht die Menge CO2 in der Atmosphäre, aber es entstehe auch kein neues. Hinten komme nur das CO2 heraus, was vorher vorne reingesteckt wurde, erklärt das Erfinderquartett. Das macht den Prozess CO2-neutral, wenn auch nicht CO2-frei.

Der Gedankengang ist im Prinzip nicht neu. Das Innovative an der Erfindung ist die Möglichkeit, sie kommerziell im großen Maßstab verknüpft mit erneuerbaren Energien anwenden zu können. Denn bisherige Anlagen müssen rund um die Uhr nahezu das ganze Jahr unter konstanter Last laufen. Grüner Wasserstoff aber fällt in stark schwankenden Mengen an. Er kann erzeugt werden, wenn Solar- oder Windkraftanlagen mehr Strom produzieren, als Stromnetze verkraften können, weil der Wind gerade besonders stark bläst oder die Sonne intensiv scheint. Dann kann man Wind- und Solarparks entweder abregeln und auf Energieerzeugung verzichten oder den überschüssigen Strom in Form von Wasserstoff speichern. Den mit CO2 aus Biogasanlagen, Klärwerken oder Zementanlagen zu Methanol zu verarbeiten, schlägt somit zwei Fliegen mit einer Klappe. Es verpufft keine erneuerbare Energie und zugleich wird das CO2 genutzt.

„Unser Prozess ist grün“, stellt Katharina Meltzer klar. Die 33-Jährige ist die einzige Frau im Team. Auch die Chemieingenieurin misst dem Methanol-Reaktor große Bedeutung zu. Bis zu drei Prozent Methanol dürfen Benzin heute beigemischt werden. „15 Prozent sind möglich und Methanol ist auch als Rohstoff für die chemische Industrie etwa zur Herstellung von Kunststoffen nutzbar“, wirbt sie für die Erfindung. „Wir nutzen sehr gute Standorte weltweit, wo der Wind stark weht oder viele Sonnenstunden nutzbar sind und können durch die Umwandlung in einen flüssigen Energieträger bestehende Kraftstoff- und Chemieinfrastrukturen bedienen“, erklärt Forscherkollege Alexander Tremel die weitreichende Vision hinter der Erfindung. Im unterfränkischen Haßfurth bauen die Siemensianer nun mit MAN und den dortigen Stadtwerken eine erste Methanolanlage für den Praxiseinsatz.

In Serie fertigen könne man sie aus technischer Sicht binnen zwei bis drei Jahren, meint Meltzer. Profitieren könnten die 2020 zum separaten Börsengang vorgesehenen Energiebereiche von Siemens. „Wir suchen neue Geschäftsfelder für Siemens Energy, grüne Treibstoffe sind eines davon“, sagt Baldauf. Noch hänge der Verkehr zu 95 Prozent von flüssigen Energieträgern ab. Große Passagierjets, Lkw oder Schiffe könnten mittelfristig auch nicht vollständig auf Batterieantrieb umsteigen, weil sie zu schwer sind und zu lange Strecken zurücklegen müssten, assistiert Tremel.

Da brauche man grüne Treibstoffe. Deren Klimanutzen sei beachtlich, finden die Siemens-Forscher. In Methanol-Reaktoren könne CO2 in enormen Tonnenmaßstäben verbraucht werden, wenn man sie mit großen Windkraft- oder Solaranlagen im Megawatt-Leistungsbereich verknüpft. „Ab 100 Megawatt wird der Aufwand ökonomisch und ökologisch interessant“, sagt Baldauf zu den Dimensionen, in denen die Forscher denken. Ihre Erfindung scheint das Zeug zu dem zu haben, was Busch eine Innovation nennt.

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