München/Berlin – Hohe Kosten, viel Bürokratie sowie eine Belastung für Umwelt und Gesundheit: Das Kassengesetz sorgt für Ärger. Denn im Kampf gegen Steuerbetrug sollen mit dem Jahreswechsel Kassen technisch aufgerüstet werden. Bei jeder Transaktion sollen Händler einen Beleg ausdrucken. Der Handelsverband Deutschland (HDE) hat ermittelt: „Im Einzelhandel in Deutschland rechnen wir mit mehr als zwei Millionen Kilometern zusätzlicher Länge an Kassenbons im Jahr.“
Manipulierte Kassen
Der Staat verliert jährlich Geld, weil Firmen ihre Umsätze mit manipulierten Kassen oder fingierten Rechnungen nicht oder falsch erfassen – vor allem in der Gastronomie und in Branchen mit hohem Bargeldanteil. Die Steuergewerkschaft geht von einem Schaden in Höhe von zehn Milliarden Euro im Jahr aus. Jetzt soll es die Kassensicherungsverordnung richten – oder kurz: das Kassengesetz. Kassen sollen durch die Technik TSE fälschungssicher werden. Ursprünglich sollten Kassen bis zum Jahresbeginn 2020 die neuen Vorschriften erfüllen, das Finanzministerium räumte nun Zeit bis Ende September ein. Die Kassenzettel-Pflicht gilt ab Januar.
Metzgereien bangen
Der HDE geht von hohen Kosten für Betriebe aus. „Erste grobe Kostenschätzungen liegen einschließlich Installation zwischen 300 und 500 Euro pro Kasse“, sagt HDE-Experte Ralph Brügelmann. In einzelnen Branchen können die Kosten noch höher ausfallen – etwa bei Metzgereien. Denn dort sind Kassen und Waagen verbunden.
„Die technische Aufrüstung einer Kasse oder einer Waage kostet pro Gerät zwischen 600 und 1300 Euro“, sagt Lars Bubnick, Geschäftsführer des Fleischerverbandes Bayern. Ein kleiner durchschnittlicher Metzgereibetrieb habe meist drei Waagen und eine Kasse. Damit fielen für manche Metzgerei Kosten in Höhe von über 5000 Euro an. „Bei größeren Betrieben potenziert sich das.“ Dabei könnten nicht einmal alle Kassen nachgerüstet werden. Eine Neuanschaffung der Geräte beliefe sich aber auf mehrere tausend Euro. „Viele kleinere Metzgereien in Bayern haben bereits angekündigt, dass sie ihr Geschäft zusperren werden, wenn erneut komplette Neuanschaffungen notwendig werden“, sagt Bubnick.
Umrüstung stockt
Doch obwohl die Verordnung 2020 in Kraft tritt, können Geschäfte sich noch nicht mit neuen oder umgebauten Kassen ausrüsten. Roland Ketel, Vorstand des Fachverbands für Kassen- und Abrechnungssystemtechnik, spricht von einem „riesen Arbeitsaufwand“. Von den etwa 1,85 Millionen Kassen in Deutschland könnten nur zwischen 400 000 und 500 000 umgerüstet werden. Die anderen müssten komplett neu produziert werden.
Neue Kassen fehlen
Problem: „Es gibt noch keine Kasse, wir haben lediglich Feldtests gemacht“, sagt Ketel. Die Produktion der TSE solle bald ins Laufen kommen. Es gebe aber nur zwei Hersteller, die diese derzeit für die normale Kasse anfertigten. „Wir müssen natürlich auch sehen, ob die beiden Hersteller in der Lage sind, das in ausreichender Zahl zu produzieren.“
Unnötige Zettel
Neben der technischen Umstellung sorgt aber auch die Kassenzettel-Pflicht für Unmut. „Wer beim Bäcker zwei Brezn kauft, braucht in der Regel keinen Beleg“, sagt Stephan Kopp, Geschäftsführer der bayerischen Bäckerinnung. Der Zentralverband des Bäckerhandwerks hat ermittelt, dass weniger als drei Prozent der Kunden einen Beleg wollen. „Es ergibt auch keinen Sinn, alle Belege auszudrucken, da sie ohnehin im Kassensystem gespeichert sind“, sagt Kopp. Franz Xaver Peter-anderl, Präsident der bayerischen Handwerkskammer, kritisiert: „Mit der Pflicht zur Bonausgabe bürdet die Politik dem Handwerk unnötige Kosten und Bürokratie auf.“ Ihn störe außerdem, dass den Unternehmern durch die Bon-Pflicht indirekt Unehrlichkeit unterstellt würde.
Müll und Schadstoffe
Sowohl die Bäcker als auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) erwarten eine „immense Menge an Papierverbrauch und zusätzlichem Müll“. Auf Thermopapier gedruckte Kassenbons sind laut BUND auch für die Gesundheit bedenklich. Zwar darf von Januar an das hormonell wirksame Bisphenol A nicht mehr zum Beschichten des Papiers verwendet werden, doch bei einigen Alternativstoffen sei die hormonelle Wirkung nicht minder problematisch. Ins Altpapier darf man die Bons auch nicht werfen, sie müssen zum Restmüll.
Steuereffekt fraglich
Zu guter Letzt gibt es noch Zweifel an der Wirksamkeit des Kassengesetzes. Cetin Acar vom Handelsforschungsinstitut EHI sagt, Betrug könne trotz der Verordnung nicht ganz vermieden werden. So könnten Händler nach wie vor einen Vorgang einfach nicht in der Kasse registrieren. Laut HDE-Experte Brügelmann kann die Kassenumstellung zwar eindämmen, die Beleg-Pflicht trage aber nicht dazu bei. „Denn mit dem ersten Tastendruck beim Kassieren wird eine Transaktion eröffnet, die sich bei einer mit einer TSE ausgerüsteten Kasse nicht mehr ohne Spuren löschen lässt. Ob dann der Kunde einen Beleg bekommt oder nicht, ist unerheblich.“