Kommt die Kassenzettelpflicht doch nicht?

von Redaktion

Die Bundesregierung will Betrug an der Ladenkasse eindämmen. Gut drei Jahre nach der Verabschiedung soll das Kassengesetz in Kraft treten. Doch kurz vor dem Stichtag kommt es nun doch noch zu einem Streit in der Regierung.

VON BENEDIKT IMHOFF UND ANDREAS HOENIG

Berlin – Mit dem sogenannten Kassengesetz will die Bundesregierung Steuerbetrug etwa durch manipulierte Ladenkassen bekämpfen. Am 1. Januar 2020 soll das Gesetz, das im Dezember 2016 verabschiedet wurde, in Kraft treten. Doch keine drei Wochen vorher dringt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier auf Änderungen in letzter Minute. Der CDU-Politiker forderte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) auf, die Pflicht zur Ausgabe von Kassenbons aus dem Gesetz zu streichen.

Die Pflicht, bei jeder Transaktion in Geschäften oder Cafés einen Beleg auszugeben, werde „zu einem erheblichen Mehraufwand an Bürokratie führen“, schrieb Altmaier an seinen Kollegen. Zudem werde die Umwelt stark belastet, da die häufig auf Thermopapier gedruckten Bons zu Milliarden „direkt im Müll landen“ würden.

Zuvor hatten bereits mehrere Handelsverbände die Bonpflicht empört zurückgewiesen. Denn um dem Gesetz nachzukommen, müssen viele Händler ihre Kassen umrüsten. Der Handelsverband Deutschland (HDE) erwartet Kosten zwischen 300 und 500 Euro pro Kasse. In einzelnen Branchen sind die erwarteten Summen wegen spezieller Kassen, die mit Waagen verbunden sind, noch höher. Der Deutsche Fleischer-Verband sprach von Investitionen, die für kleine Metzgereien existenzbedrohend seien.

Das Wirtschaftsministerium will nach dpa-Informationen vor allem Ausnahmeregelungen von der Bonpflicht erreichen – etwa für Supermärkte mit Massenkundschaft. Das Gesetz lässt eine solche Befreiungsvorschrift zu. In einem Erlass des Finanzministeriums an die Finanzbehörden aber heiße es, die mit der Bonpflicht entstehenden Kosten stellten „keine sachliche Härte“ dar.

Altmaier betonte aber in seinem Brief vom 12. Dezember: „Die Folgen dieser Regelung sind beträchtlich.“ So rechne allein die Handelskette Rewe mit 140 000 Kilometern zusätzlicher Kassenbons im Jahr. Er hoffe nun „auf eine kurzfristige einvernehmliche Lösung im Sinne der Unternehmen und der Umwelt“.

Laut dem Kassengesetz sollen Kassen durch eine technische Sicherheitseinrichtung (TSE) fälschungssicher werden. Ursprünglich sollten Kassen bis zum Jahresbeginn 2020 die neuen Vorschriften erfüllen, das Finanzministerium räumte nun Zeit bis Ende September ein. Die Bonpflicht gilt trotzdem schon von Januar an. Das Gesetz war von der großen Koalition beschlossen worden. Finanzminister war damals der heutige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU).

Die Deutsche Steuer-Gewerkschaft kritisierte Altmaier wegen dessen Widerstands scharf: „Wir in den Finanzämtern müssen die Vorschriften durchsetzen, und es ist überhaupt nicht förderlich, wenn der Wirtschaftsminister uns nun in den Rücken fällt“, so der Vorsitzende Thomas Eigenthaler. Es gehe um Steuerbetrug im Handel oder in der Gastronomie. Nach Schätzungen der Steuergewerkschaft und des Bundesrechnungshofs gingen dem Fiskus pro Jahr durch Steuerbetrug mindestens zehn Milliarden Euro verloren.

Auch die SPD widersprach Altmaier. Vizebundestagsfraktionschef Achim Post betonte: Der Staat dürfe sich nicht „weiterhin Milliardensummen durch die Lappen gehen lassen“. Die Belegpflicht sei dafür ein „verhältnismäßiges Mittel“.

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