Das kostenlose Girokonto gehört der Vergangenheit an. Als eine der letzten Filialbanken hat die Sparda-Bank München soeben erklärt, auch sie könne dieses Geschäft, das dereinst zum Markenkern gehörte, nicht mehr aufrecht erhalten. Ab April müssen also auch Sparda-Filialkunden Gebühren bezahlen. Warum das so ist, erklärt Sparda-Vorstandschef Helmut Lind im Interview.
Die Sparda-Bank München war mit die letzte, die noch kostenlose Girokonten angeboten hat. Jetzt führen auch Sie Gebühren ein. Muss das sein?
Leider ja. Als regionale Genossenschaftsbank für Privatkunden verfolgen wir ein bodenständiges, konservatives Geschäftsmodell. Bislang konnten wir die schon immer entstehenden Kosten bei der Kontoführung durch Zinseinnahmen decken. Das ist nun nicht mehr möglich, da die bereits seit längerer Zeit bestehenden finanzpolitischen Rahmenbedingungen seitens der Europäischen Zentralbank enorme negative Auswirkungen auf unseren Ertrag haben.
Welche Kosten meinen Sie?
Jede Buchung, jede Überweisung, jeder Dauerauftrag, jeder Eingang, jeder Klick, den man online macht, verursacht Kosten, die wir als Bank an den IT-Dienstleister bezahlen müssen. Im Gegensatz zu vielen anderen Banken haben wir das aber bislang nicht auf die Kunden umgelegt. Jetzt müssen wir einen Teil davon weitergeben, die Zinssituation zwingt uns dazu. Es geht uns keineswegs darum, Gewinne zu maximieren.
Hat sich denn an der Zinssituation so viel geändert?
Seit Juni 2014 müssen Banken auf Guthaben, die sie bei der EZB hinterlegen, Strafzinsen zahlen. Lag der Satz anfangs noch bei minus 0,1 Prozent, ist er mittlerweile auf minus 0,5 Prozent gestiegen. Das heißt, wir bezahlen mehr Geld für unsere Einlagen bei der EZB. Der Hauptfaktor ist aber die langfristige Zinsentwicklung. Wenn Sie heute für 15 Jahre Geld fest anlegen, bekommen Sie immer noch keine positive Rendite, auch auf diesen Zeitraum ist der Zins negativ. Deshalb können wir die vorhin genannten Kosten auch nicht mehr aus unserem Zinsergebnis bezahlen.
Das Bankgeschäft steht Kopf.
Genau. Wir führen fast schon Abwehrschlachten gegen neue Einlagen.
Weil die Kunden anderswo bereits Negativzinsen bezahlen müssen und bei Ihnen nicht?
So ist es. Es gibt Kunden, die kommen mit 100 000 Euro in der Tasche zu uns. Die wollen gar keinen Zins, es geht ihnen nur darum, dass das Geld sicher ist und sie nichts für die Einlage bezahlen müssen. Die meisten Leute wissen, dass das Thema Negativzinsen unweigerlich auch auf Privatkunden zukommt. Bei Bestandskunden dürfen wir rechtlich gar keine Negativzinsen verlangen. Bei Neukunden ginge es. Diese Option müssen wir uns auch offenhalten, schon um einen tsunamihaften Geldzufluss abzuwehren.
Negativzinsen sind also nur eine Frage der Zeit?
Wenn die Situation so bleibt – und ich gehe davon aus, dass sie so bleibt – werden auch wir nicht um Negativzinsen herumkommen. Das ist notwendig zur Absicherung der Bank. Ansonsten müssten wir für Beträge bis 100 000 Euro die staatliche Einlagensicherung wie auch die genossenschaftliche Institutssicherung, die wir zusätzlich haben, finanzieren und zusätzlich noch die Negativzinsen. Das ginge nur, wenn wir in wesentlich risikoreichere Anlageklassen wechseln würden. Und da stecken wir wieder in der Falle.
Inwiefern?
Auf der einen Seite zwingt uns die EZB durch ihre Zinspolitik in diese Situation, auf der anderen Seite wacht die Bundesbank mit Argusaugen über die Risiken, die Banken eingehen. Was uns alle raten, ist: Führt Gebühren ein.
Wie hoch sollen die sein?
Aktuell liegen die Durchschnittskosten bei Banken für die Online-Kontoführung in Deutschland bei 3,60 Euro. Bei sogenannten Premiumkonten sind es 9,93 Euro. Uns ist wichtig, dass wir auch mit den neuen Girokontomodellen preiswert, transparent und fair bleiben. Für Online-Konten sind es ab 1. April 1,90 Euro im Monat, bei Filialkonten 4,90 Euro. Beim Filialkonto sind damit auch unbegrenzt bereits alle beleghaften Überweisungen mit bezahlt.
Wir haben über Risiken bei der Geldanlage gesprochen. Da hat die Sparda-Bank ja eine andere Philosophie als eine klassische Geschäftsbank, oder?
Stimmt. Für die Eigenanlagen der Bank gelten klare ethische und gemeinwohl-orientierte Grundsätze. Dazu gehört auch, dass wir komplett auf Währungsspekulationen verzichten und nicht in Rohstoffe investieren.
In Zukunft sollen ja Banken auch für klimapolitische Zwecke eingespannt werden. Kredite an nicht so nachhaltig wirtschaftende Unternehmen müssten dann mit mehr Eigenkapital unterlegt und somit teurer werden. Was halten Sie davon?
Ich finde das sinnvoll. Heute trägt die ökologischen und sozialen Kosten des Wirtschaftens zu oft die Gesellschaft, und der Profit bleibt beim Unternehmen. Heute wird amoralisches Verhalten belohnt, in Zukunft muss moralisches Verhalten belohnt werden.
Ist das nicht etwas blauäugig?
Das glaube ich nicht. Wir legen bei der Sparda-Bank München seit 2011 regelmäßig ergänzend zur Finanzbilanz quasi als Wertebilanz eine Gemeinwohl-Bilanz vor. Also eine Bilanz darüber, welche Kosten das eigene Handeln für die Gesellschaft verursacht. Ich glaube, dass immer mehr Unternehmen so etwas machen werden. Und es spricht nichts dagegen, solche Firmen, die zu einem gesellschaftlichen Mehrwert beitragen, zu belohnen, sei es über die Steuer, durch Subventionen oder über günstigere öffentliche Kredite.
Viele Bankchefs sind da anderer Meinung.
Mag sein. Ich sehe es so: Der Kapitalismus, den wir heute haben, stellt das Geld über die Menschenwürde, die Gier über die Tugend. Wir haben keine Soziale Marktwirtschaft mehr. Wenn ich mir zum Beispiel anschaue, mit was für kleinen Renten viele Menschen selbst in München auskommen müssen, wie sie aus dem System fallen. Schon in der Bayerischen Verfassung, Artikel 151, steht: Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl. Es geht darum, das Profitstreben der Wirtschaft mit dem Gemeinwohlstreben der Gesellschaft zu versöhnen.
Mit solchen Positionen stehen Sie in der deutschen Wirtschaft wahrscheinlich recht alleine da.
Alle Veränderung beginnt mit Pionierleistungen. Und ich hoffe, die Sparda-Bank München ist ein Pionier in diesem Veränderungsprozess.
Glauben Sie, dass Ihre Kunden das honorieren – und bereit sind, dafür zu bezahlen?
Teils, teils. Gerade in den letzten Jahren haben wir festgestellt, dass durchschnittlich jeder vierte oder fünfte Kunde ausdrücklich wegen dieser Themen zu uns kommt. Andere kommen wegen kostenloser Konten. Aber wir sind ja gerade dabei, die „Kost-nix-Strategie“ in eine „Ist-was-wert-Strategie“ umzumodeln.
Und, klappt das?
Die Kostenlos-Mentalität in Deutschland ist ja sehr ausgeprägt. Ja, auch wir haben sogenannte Geiz-ist-geil-Kunden, es wird sicherlich zu einem Bereinigungsprozess kommen. Aber ein Unternehmen muss sich meiner Ansicht nach irgendwann positionieren und klar sagen, wo es seine Zukunft sieht.
Was sagen die Mitarbeiter dazu?
Als ich vor zehn Jahren angefangen habe, waren bestimmt auch viele Mitarbeiter eher skeptisch. Heute ist unsere gemeinwohl-orientierte Positionierung auch bei den Mitarbeitern fest verankert. Und das, obwohl wir nicht nur bald Gebühren erheben, sondern auch weitere Hausaufgaben bei den internen Kostenstrukturen machen müssen.
Was bedeutet das konkret?
Wir arbeiten unter anderem an Verbesserungen im Prozessmanagement und müssen weiter in digitale Angebote und Serviceleistungen investieren. Aufgrund des veränderten Kundenverhaltens haben wir zum Jahresende unser Filialnetz im Stadtgebiet von München auf 14 Standorte reduziert und fünf Filialen in Selbstbedienungs-Standorte umgewandelt. Die betroffenen Mitarbeiter werden alle an anderen Standorten weiterbeschäftigt, es gab keine Kündigungen.
Sind auch keine geplant?
Nein. Ich weiß nicht, was in fünf Jahren ist, aber absehbar gibt es keine Kündigungen. Allerdings werden Stellen durch natürliche Fluktuation weniger werden.
Wie lief denn das Jahr 2019?
Aufgrund der vorgenannten Rahmenbedingungen und notwendiger Investitionen in die IT wird das Ergebnis 2019 unter dem des Vorjahres liegen. Für 2020 haben wir strategisch die Weichen gestellt, den Dreiklang von Ökonomie, Ökologie und sozialer Verantwortung erfolgreich für die Sparda-Bank München zu gestalten.
Interview: Corinna Maier, Georg Anastasiadis