Das Sony-Auto – und was wirklich dran ist

von Redaktion

Sony hat auf der Elektronik-Messe CES in Las Vegas ein Auto vorgestellt. Vielleicht das sicherste Zeichen dafür, dass die Unterhaltungselektronikbranche bei ihrem Jahrestreff mit eigenen Themen nicht mehr punkten kann.

VON MARTIN PREM

Las Vegas/München – Google, Apple, Dyson und jetzt auch Sony: Immer mehr Konzerne, die traditionell mit dem Auto wenig zu tun haben, haben in jüngster Zeit Auto-Konzepte vorgestellt. Und bei jedem dieser Anlässe wurde in der medialen Reaktion fast einhellig der Eindruck erweckt, als habe nun das letzte Stündchen der klassischen Automobilindustrie geschlagen.

Manchmal aber haben die Akteure gar keinen neuen Geschäftszweig im Sinn. Wenn Sony, der Erfinder der legendären Trinitron-Bildröhre und des Betamax-Verfahrens, auf der Weltleitmesse seiner eigenen Industrie, der Elektronik-Show CES in Las Vegas, ein Auto vorstellt, sollte man darin auch eine Retourkutsche sehen.

Ein Blick auf das alljährliche reale Geschehen in der glitzernden Wüstenmetropole zeigt: Sprechende Kühlschränke, Riesenfernseher und mehr oder weniger intelligente Waschmaschinen spielen in den Messehallen nach wie vor die Hauptrolle. Schlagzeilen wurden dort in den letzten Jahren aber nur noch mit Autos gemacht.

BMW, Mercedes, Audi, Ford, GM, Toyota und andere scheinen – aus der Ferne besehen – die CES im Alleingang zu bestücken. Und mit einem eigenen Auto auf der CES war Sony erstmals seit vielen CES-Jahren wieder ganz oben in den Nachrichtenkanälen vertreten.

Der Coup war also geglückt. Die Automobilindustrie hatte über Jahre erfolgheischend in fremdem Terrain gewildert – Sony hat den Spieß jetzt umgedreht.

Aber einmal angenommen, Sony käme wirklich auf die Idee, Autos zu bauen – wie stünden die Chancen? Im flüchtigen Blick zurück ist Sony – historisch betrachtet – ein Angstgegner für die europäische Industrie. Man muss heute Betamax oder Trinitron nicht mehr kennen. Beides waren vor knapp einem halben Jahrhundert revolutionäre, sind nun aber untergegangene Techniken. Und Sony war eines der Unternehmen aus Japan, die mit Innovationen die vorher führende Unterhaltungselektronik-Industrie in Europa ins Aus trieben. Das war, bevor Koreaner und Chinesen kamen und das Spiel wiederholten – nun mit Japan als Opfer.

„Sony jetzt auch Autobauer.“ Oder: „Sony präsentiert eigenes Elektroauto“, war gestern zu lesen. In solchen Reaktionen wird der Anschein erweckt, als müsse die europäische Automobilindustrie über die eigenen Zukunftsaussichten nun endlich ins Grübeln kommen. Das ist aber nicht der Fall.

Schon ein flüchtiger Blick hinter die Kulissen des Sony Autos zeigt selbst interessierten Laien: Sony hätte das Konzept-Fahrzeug aus eigener Kraft gar nicht bauen können. Es ist ein Gemeinschaftswerk mit Bosch, Continental, ZF und Magna. Mit deren geballter Automobil-Kompetenz im Rücken hätten auch Kellog’s oder L’Oréal oder der südthüringische Kaninchenzüchterverband ein Fahrzeug präsentieren können, das den Eindruck erweckt, als könne man es auf die Straße lassen.

Man muss nur grob abschätzen, mit welchem enormen Aufwand heute die erfolgreicheren der traditionellen Autohersteller an Zukunftsthemen forschen und in welchem Umfang sie eigene Mittel in diese Themen stecken – anstatt sie an Anteilseigner auszuschütten. Dann wird man daran Zweifel bekommen, ob andere Konzerne das je stemmen können. Mehr als Show ist einfach nicht drin.

Und dann gibt es auch noch die Produktion, die längst das eigentliche Geheimnis der Autoindustrie geworden ist. Aus jahrzehntelangen Erfahrungen und permanentem Innovationsdruck hat sich ein Wissensschatz angesammelt, der es ermöglicht, sehr kleinteilige und damit hochkomplexe logistische Prozesse zu beherrschen. Das kann man nicht einfach kopieren wie ein Kochrezept und nachkochen.

Der einzige erfolgreiche Ansatz ist es, das Abenteuer zu wagen und aus tausenden Fehlern zu lernen. Vielleicht hat Elon Musk, der mit Tesla dieses Wagnis eingegangen ist, am Ende Erfolg. Aber er hat trotz ungewissen Ausgangs Milliarden Dollar von Investoren hinter sich, die er als Lehrgeld verbrennen darf. Dieses Geld haben Sony und andere Akteure nicht.

Las Vegas ist die Stadt der Illusionen. Auch Mercedes hat mit seinem Konzeptfahrzeug Vision „AVTR“ – der Film Avatar lässt grüßen – keine reale Welt im Sinn, sondern eine hochgradig virtuelle.

Dafür hat ein anderer japanischer Konzern in Las Vegas eine Idee präsentiert, die deutlich angemessener zu sein scheint: Toyota will auf einem ehemaligen Fabrikgelände eine Kleinstadt für eigene Mitarbeiter und Pensionäre bauen. Eine Stadt, die für Zukunftstechnologien wie das autonome Fahren geeignet ist. Die geplante Toyota-Stadt zeigt die eigentliche Herausforderung: Um in einer Welt zu leben, die mit den Zukunftsfantasien aus Las Vegas kompatibel ist, muss man die bestehende abreißen und sich eine neue bauen.

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