Reichertshofen – Zunächst wirkt das Teil, das Helmut Bauer erklärt, unscheinbar. Eine Welle aus Stahl. Es ist der Rotor eines Elektromotors. Ungewöhnlich lang und schmal. Schmal muss es auch sein. Es dient dem Antrieb eines Innenrüttlers, der wegen seiner schmalen Form auch Flasche genannt wird. Er wird mit möglichst geringer Materialverdrängung in frisch vergossenen Beton gesteckt und sorgt durch starke Vibrationen dafür, dass die Luft entweicht. Nur so bekommt der Beton nach dem Aushärten die von ihm erwartete Festigkeit. Und auch dieses Teil trägt dazu bei, dass der vergleichsweise kleine Maschinenbaukonzern Wacker Neuson Weltmarktführer für die entsprechenden Geräte ist.
Das Unternehmen mit Zentrale in München-Milbertshofen hat beispielsweise mit Radladern, Baggern und anderen Baumaschinen noch weit größere Produkte im Programm. Doch was im Stammwerk von Wacker Neuson in Reichertshofen (Landkreis Pfaffenhofen) entsteht, hat einen Zweck: Bei Erdarbeiten oder beim Bau unerwünschte Luft zu verdrängen und Hohlräume zu vermeiden. Das tun nicht nur Rüttler, sondern auch Stampfer oder Rüttelplatten, beispielsweise um den Straßenuntergrund zu befestigen. Wacker Neuson war Pionier auf diesem Gebiet, das besondere Anforderung an die Qualität von Werkzeugen stellt.
Überall, wo maschinell gerüttelt und geschüttelt wird, ist etwas erforderlich, was man woanders tunlichst vermeidet: Eine Unwucht, die starke Vibrationen erzeugt. Das schnelle Pulsieren ist schwer zu beherrschen. Eine stärkere Unwucht in einem Flugzeugpropeller kann in wenigen Augenblicken den Motor zerlegen und zum Absturz führen.
Baumaschinen sollen aber nicht nur Sekunden halten, sondern viele Jahre – und das möglichst ohne Ausfall. Dafür ist höchste Präzision erforderlich. Deshalb werden in dem Werk viele Teile gefertigt, die andere längst zukaufen.
Helmut Bauer leitet die Produktion in dem Werk südlich von Ingolstadt. Er nimmt ein Bauteil in die Hand. Außen ein Zahnrad. Das sollten alle Maschinenbauer beherrschen. Aber Bauer zeigt auf zwei kurvige Nuten im Innern: Sie sind für die Steuerung des entsprechenden Geräts unentbehrlich. Nachbauen könnte das jeder Konkurrent, räumt er ein. Doch wie man das in einer Qualität schafft, die Extrembedingungen überdauert, ist ein Geheimnis, das in Reichertshofen gehütet wird.
Es ist Teil des Erfolgsrezepts, dass man hier nicht nur vorgefertigte Teile montiert – wie es bei vielen Gerätebauern üblich ist. Außergewöhnlich viele Komponenten stammen auch aus dem Werk. Hier wird immer noch gegossen, gedreht, gefräst und gehärtet.
Und auch die Elektromotoren für Innenrüttler sind „Made in Reichertshofen“. Denn auf dem Markt ist Vergleichbares, das hinreichend kompakt ist, gar nicht zu finden.
Man will hier wirklich beherrschen, was man tut. Und dazu braucht man passende Mitarbeiter. Jedes Jahr werden in dem Werk mit 600 Beschäftigten 16 junge Menschen ausgebildet. Auch die Entwicklungsabteilung ist aus München direkt ans Werk umgezogen, um für kurze Wege zu sorgen. Es geht dabei nicht nur um die Entwicklung neuer Produkte. Auch Geräte aus der aktuellen Fertigung werden in Prüfständen bis an die Grenze der Materialermüdung geschunden, um sie weiter zu verbessern. Und jedes einzelne Gerät, das das Werk verlässt, durchläuft eine Prüfung. Alle Ergebnisse bleiben dauerhaft gespeichert.
Qualität ist eine der Wurzelns des Erfolgs. Eine zweite kommt hinzu: Wacker – so hieß das Unternehmen vor der Fusion mit Neuson aus Linz (Österreich) – war am ursprünglichen Sitz in Dresden ausgebombt worden und kam so nach Bayern. Um nie mehr von nur einem Standort abhängig zu sein, gründete Wacker 1957 ein Werk in den USA. Man stellte sich der Globalisierung, bevor es das Wort dafür gab. Und in den USA gelang auch etwas, wovon Wacker Neuson noch lange zehren kann. Wer in Nordamerika einen Stampfer anwirft, um Boden zu verdichten, tut etwas, wofür es im amerikanischen Englisch ein eigenes Wort gibt: „to wacker“.