Davos – Das 50. Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums (WEF) hat noch gar nicht begonnen, doch der Ton ist schon gesetzt – und er kommt nicht vom Ausrichter. Es ist die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg, die selbst bei der Veranstaltung (21. bis 24. Januar) in Davos erwartet wird, die klarmacht, was in den Schweizer Bergen passieren soll. „Wir verlangen“, schreibt Thunberg im Namen der weltweiten Klimabewegung in einem offenen Brief in der britischen Zeitung „Guardian“, dass alle Teilnehmer, ob Unternehmen, Organisationen oder Regierungen, „unverzüglich und vollständig“ alle Investitionen in fossile Brennstoffe beenden.
Das WEF will die Aktivistin unterstützen, sich selbst aber vor Vereinnahmung schützen. „Wir haben sie wieder eingeladen, aber wir müssen aufpassen, dass wir nicht zum Werkzeug für den Hype werden, der um sie herum entstanden ist“, sagte WEF-Gründer Klaus Schwab vor kurzem der „Welt“.
Wichtig sei, den Blick zu weiten. „Es geht nicht um Greta allein, es geht um die Sorge einer ganzen Generation, dass wir nicht genug tun, um unsere Umwelt so zu erhalten, dass sie uns auch weiterhin Freude machen wird.“
Das WEF allerdings signalisiert bereits mit dem Motto der 50. Jahrestagung, wie wichtig ihm die Umwelt ist. „Stakeholder für eine solidarische und nachhaltige Welt“, lautet es in der für das WEF typischen, etwas hölzernen Form. Wirtschaftsprofessor Schwab verspricht greifbare Resultate: „Das Jahrestreffen wird eine Werkstatt sein, keine Quatschbude.“ Die Vorhaben klingen riesig: Eine Milliarde Menschen will das Forum gemeinsam mit Partnern fit machen für Jobs in der digitalen Welt, außerdem bis Ende der 2020er-Jahre eine Billion Bäume pflanzen.
Wirtschaft und Gesellschaft haben sich rasant verändert, seitdem Schwab das Davoser Treffen 1971 ins Leben gerufen hat. Dabei seien viele Menschen vergessen worden – die sich nun dem Nationalismus zuwendeten. „Das Mantra der großen Öffnung war doch vor allem ein elitäres Projekt“, so Schwab. Es sind durchaus neue Töne.
Zwar hat das WEF entgegen der öffentlichen Wahrnehmung stets gefordert, dass Wirtschaft und Politik zuerst dem Allgemeinwohl dienen sollen. Doch hängen blieb stets ein eher elitäres Bild. Auch deshalb lädt Schwab schon seit Jahren Kritiker und Globalisierungsgegner nach Davos. In den Schweizer Alpen wurden Initiativen gestartet wie die Impfallianz Gavi, dank der seither Hunderte Millionen Kinder weltweit geimpft wurden. Solchem Engagement will das WEF mehr Aufmerksamkeit sichern. „Wir stehen für ein vernünftiges Management unserer globalen Probleme“, betonte Schwab in der „Bilanz“.
Zum Konzept gehört auch, Politiker jeder Couleur zu Wort kommen zu lassen. Schwab will nicht urteilen. Auch in diesem Jahr werden wieder umstrittene Staats- und Regierungschefs Reden halten in Davos. Aus der Teilnahme der Staatenlenker in den Schweizer Alpen sind in der 50-jährigen Geschichte des Treffens durchaus konkrete Abmachungen entstanden, unvergessen ist etwa der Handschlag zwischen Israels Premier Shimon Peres und Palästinenserführer Jassir Arafat 1994. Auch bei den jüngsten Jahrestreffen gab es viele schöne Ankündigungen. Doch umgesetzt wurde davon wenig, wie langjährige Beobachter kritisieren. Beispiel Xi Jinping: Chinas Staats- und Parteichef inszenierte sich 2017 mit blumigen Worten als Kämpfer für Freihandel. Doch ausländische Konzerne klagen noch immer über hohe Hürden – und innenpolitisch lässt Xi immer härter Hand gegen Kritiker vorgehen. Insgesamt ist das Treffen in mehrere Themenbereiche gegliedert. Doch das Augenmerk gilt der Geopolitik – und dem Klima. „Wir wollen nicht, dass diese Dinge bis 2050, 2030 oder sogar 2021 getan werden“, schreibt Aktivistin Thunberg den Davos-Teilnehmern ins Stammbuch. „Wir wollen, dass sie jetzt erledigt werden – „jetzt“ wie in „genau jetzt“.“ Das Weltwirtschaftsforum könnte zum Weltklimaforum werden. BENEDIKT V. IMMHOFF