„Wir werden jeden Stein umdrehen“

von Redaktion

Die neue EZB-Präsidentin Christine Lagarde will bei der Notenbank „jeden Stein umdrehen“. Sparer sollten trotzdem nicht auf ein rasches Ende der Nullzinspolitik hoffen. Auch ihrem Anleihenkaufprogramm bleibt die Europäische Zentralbank vorerst treu. Darüber wird am 24. März das Bundesverfassungsgericht ein Urteil fällen, wie gestern bekannt gegeben wurde.

Frankfurt/Karlsruhe – Nach Jahren im Zinstief justiert die Europäische Zentralbank (EZB) ihre geldpolitische Strategie neu. Erstmals seit 2003 will die Notenbank eine umfassende Überprüfung auf den Weg bringen. Das beschloss der EZB-Rat am Donnerstag nach einem entsprechenden Vorstoß der neuen EZB-Präsidentin Christine Lagarde.

„Wir können nicht so operieren wie 2003 – was nicht heißt, dass wir dies oder jenes ändern müssen. Aber wir müssen uns umfassend mit der Wirksamkeit unserer Geldpolitik befassen“, sagte Lagarde nach der Sitzung des EZB-Rates in Frankfurt. Sie bekräftigte: „Wir werden jeden Stein umdrehen.“

Ein rasches Ende des ultralockeren Kurses bedeutet dies aber nicht – zum Leidwesen von Sparern und Banken. Die Währungshüter halten den Leitzins im Euroraum auf dem Rekordtief von null Prozent. Banken müssen weiterhin 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie Gelder bei der EZB parken. Zudem will die Notenbank auf unbestimmte Zeit monatlich 20 Milliarden Euro in den Kauf von Anleihen stecken.

Darüber will das Bundesverfassungsgericht am 24. März sein Urteil fällen. Das teilte das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe am Donnerstag mit. Im Raum steht der Vorwurf, dass die Notenbank damit in Wahrheit Staatsfinanzierung und Wirtschaftspolitik betreibt. Beides ist ihr untersagt (Az. 2 BvR 859/15 u.a.).

Die Währungshüter sehen die Anleihenkäufe als probates Mittel, um Konjunktur und Inflation im Euroraum auf die Sprünge zu helfen. Unter ihrem damaligen Präsidenten Mario Draghi hatte die EZB zwischen März 2015 und Ende 2018 rund 2,6 Billionen Euro in Staatsanleihen und andere Wertpapiere gesteckt – den allergrößten Teil über das Programm PSPP (Public Sector Purchase Programme), um das es in Karlsruhe geht. Danach waren die umstrittenen Anleihenkäufe zwar vorübergehend heruntergefahren worden. Trotz des laufenden Karlsruher Verfahrens nahm die EZB die Käufe zum 1. November 2019 allerdings wieder auf, nun mit monatlich 20 Milliarden Euro.

Dabei hatten die Verfassungsrichter die Anleihenkäufe schon im Sommer 2017 mit deutlichen Worten problematisiert. Weil es um EU-Recht geht, schalteten sie damals den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg ein. Dieser hatte das Kaufprogramm gegen die Bedenken aus Deutschland im Dezember 2018 in allen Punkten für rechtens erklärt.

Dass das die deutschen Richter nicht überzeugt, war in der Karlsruher Verhandlung Ende Juli 2019 offensichtlich geworden. Es liegt also auch ein offener Konflikt mit dem EuGH in der Luft. Denn um der EZB Grenzen aufzuzeigen, müssten die Karlsruher Richter sich über die Vorentscheidung aus Luxemburg hinwegsetzen. Das hat sich das Bundesverfassungsgericht immer vorbehalten – allerdings nur für den Fall, dass ein EuGH-Urteil „nicht mehr nachvollziehbar“ ist. Die Kläger wollen erreichen, dass das Verfassungsgericht der Deutschen Bundesbank untersagt, sich an den Anleihenkäufen zu beteiligen. Das hätte spürbare Auswirkungen, denn die Bundesbank ist größter Anteilseigner der EZB – fiele sie aus, wäre mit einem Schlag ein Viertel des Kaufvolumens weg.

Seit Jahren versucht die EZB, mit einer Flut billigen Geldes die Konjunktur im Euroraum anzukurbeln und die Inflation in Richtung der Zielmarke der Notenbank zu treiben. Hauptziel der Währungshüter sind stabile Preise im Euroraum. Die Notenbank strebt für den Währungsraum mit seinen 19 Ländern mittelfristig eine Jahresteuerungsrate von knapp unter 2,0 Prozent an – weit genug entfernt von der Nullmarke.

Dauerhaft niedrige oder auf breiter Front sinkende Preise könnten Unternehmen und Verbraucher verleiten, Investitionen aufzuschieben, so die Sorge.

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