Braunschweig – Es ging am Ende um 50 Millionen Euro, an denen ein ausgehandelter Vergleich zwischen dem Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und dem VW-Konzern scheiterte. Bis zu 850 Millionen wollte der Autobauer für Entschädigungen für die 400 000 bis 480 000 betrogener Diesel-Käufer bereitstellen, die sich der Musterfeststellungsklage des vzbv und des ADAC angeschlossen hatten. Die 50 Millionen Euro sollten die Anwälte der Verbraucherschützer als Pauschalhonorar für ihren Einsatz zur Umsetzung des Vergleichs bekommen, forderteder Bundesverband. Das verweigerte der Konzern, will aber den Rest des Verhandlungsergebnisses jetzt einseitig umsetzen. Im Durchschnitt können demnach Betroffene mit 2000 Euro Entschädigung rechnen.
Pferdefuß: Jetzt vertritt niemand in dem Verfahren mehr die Interessen der Betroffenen. Wer sich auf das Angebot einlässt, kann nehmen, was VW anbietet oder nicht. Der vzbv warnt davor: Wer dem Vergleich jetzt zustimme, könne keine weiteren Ansprüche geltend machen, so vzbv–Chef Klaus Müller. Er räumte indirekt ein, dass möglicherweise viele Kläger das Angebot annehmen: „Ich freue mich über jeden Euro, den Volkswagen in Anerkennung seines Dieselbetrugs den Verbrauchern auszahlt.“ Betroffene müssen entscheiden, ob sie mit dem Spatz in der Hand zufrieden sind oder auf die Taube am Dach hoffen.
Allerdings hat das Oberlandesgericht Braunschweig auf Verhandlungen gedrängt, um den Rechtsstreit zu lösen. Man kann daraus durchaus schließen, dass das Gericht in einem Urteil bei der Summe nicht weit vom ausgehandelten Ergebnis landen wird.
Einen Direktvergleich, der nicht nur Teilnehmer der Musterklage, sondern im Kern alle bei Gerichten in Deutschland anhängigen Verfahren umfasst, bringt jetzt der vzbv ins Spiel. So könnten Millionen betrogene Autofahrer in den Genuss von Entschädigungen kommen, sagte Müller. Das ist ein klares Signal, dass man zurück an den Verhandlungstisch strebt.
Die gegenwärtige Situation hilft Volkswagen. Der Konzern kann damit rechnen, dass viele Kunden auf den Vergleich eingehen, um sich weitere lange Wartezeiten auf eine Entschädigung zu ersparen. Auch der Gesamtvergleich wäre attraktiv für Volkswagen. Er würde die Rechtsstreitigkeiten auf einen Schlag beenden.
Allerdings gibt es eine wichtige Gruppe, die andere Interessen hat: Zahlreiche Anwaltskanzleien haben sich die Mandate von VW-Käufern gesichert, um deren Interessen zu vertreten – und natürlich auch, um daran selbst zu verdienen. In vielen Fällen wurde Erwartungen geweckt, man könne auf diesem Weg besonders viel herausholen.
Einen juristischen Trick der VW-Juristen gegen die zahlreichen Einzelkläger hat der Bundesgerichtshof bereits ins Leere laufen lassen: Man einigt sich in letzter Sekunde in allen Fällen, die vor dem Bundesgerichtshof gelandet sind, und vermeidet so ein höchstrichterliches Urteil, an dem sich die unteren Instanzen orientieren müssten. Solange ein solches Urteil fehlt, wird für viele Kläger der Rechtsweg schwerer kalkulierbar. Das gilt auch für das Kostenrisiko.
Durch einen Hinweisbeschluss, mit dem die obersten Richter am 20. Februar 2019 an die Öffentlichkeit gingen, durchkreuzten sie die VW-Strategie. Die verbotene Abschalteinrichtung sei ein „Sachmangel“, erklärten die Richter und nahmen ein Urteil gewissermaßen vorweg. Allerdings müssen Einzelkläger weiterhin um den Umfang ihrer Ansprüche kämpfen. So kann ein Vergleich auch für sie interessant sein.