Sind Großprojekte noch durchführbar?

von Redaktion

Immer wieder geraten in Deutschland Großprojekte ins Stocken, wie zuletzt die geplante Tesla-Fabrik. Nun fordern Wirtschaftsvertreter und Ökonomen schnellere Prozesse und weniger Klagemöglichkeiten.

VON ALEXANDER STURM UND OLIVER VON RIEGEN

Potsdam – Nach dem Rodungsstopp auf dem Gelände für die geplante Tesla-Fabrik in Grünheide bei Berlin ist eine Debatte um Verzögerungen bei Bauvorhaben hochgekocht. Wirtschaftsverbände und Ökonomen fordern schnellere Prozesse in Deutschland. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) moniert einen zu langen Vorlauf für Ansiedlungen. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) fordert mehr Mut. Aus der Politik werden Stimmen lauter, Klagemöglichkeiten etwa von Umweltverbänden zu begrenzen.

„Plan- und Genehmigungsverfahren für Unternehmensansiedlungen in Deutschland dauern abschreckend lange“, meint Achim Dercks, Vize-Hauptgeschäftsführer des DIHK. „Vor allem bestehen die Planverfahren aus zu vielen Stufen. Zu oft machen Unternehmen die Erfahrung, dass die Komplexität der Verfahren es leicht macht, einzelne Projekte gezielt zu verhindern.“

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) hatte die Waldrodung nach einer Beschwerde des Umweltverbands Grüne Liga Brandenburg vorerst untersagt. Das Landesumweltamt hatte den vorzeitigen Beginn des Bäumefällens gebilligt, die Genehmigung für den Bau der Tesla-Fabrik steht noch aus. Solange das Verfahren nicht abgeschlossen sei, dürften keine Tatsachen geschaffen werden und keine rückgängig zu machenden Beschädigungen der Natur, meint die Grüne Liga.

Ein längerer Stopp könnte den Zeitplan für die Elektro-Autofabrik gefährden. Mit einer Entscheidung des OVG wird in diesen Tagen gerechnet. Der Fall wirft die Frage auf, ob Großprojekte gegen den Widerstand von Verbänden überhaupt noch durchsetzbar sind.

IW-Direktor Michael Hü–ther erklärte, Verzögerungen ließen sich etwa mit digitalisierten Verfahren, eingeschränkten Klagerechten für Verbände und Prämien für Verwaltungsangestellte und Baufirmen verhindern. Zwar gebe es im Planungsrecht Fortschritte, doch es brauche auch Mut in der Umsetzung. „Beschäftigte in den Verwaltungen profitieren meist nicht von einer Beschleunigung, müssen aber mit Sanktionen rechnen, wenn wider Erwarten eine Genehmigung ausbleibt und begonnene Maßnahmen zurückgebaut werden müssen.“ Prämiensysteme in Behörden könnten Anreize für schnellere Verfahren schaffen.

Doch nicht nur Verfahren seien komplexer geworden, auch in der Verwaltung seien viele Stellen abgebaut worden, sagte Hüther. „Da nun ein Wiederaufbau wegen des Fachkräftemangels schwerfällt, sollten Kommunen stärker kooperieren und Fachbehörden häufiger private Planungsbüros einbeziehen.“

Dazu kommen lange Genehmigungen, misslungene Planungen und Baufehler, die die Kosten für Großprojekte wie den Flughafen BER oder die Elbphilharmonie hoch schießen lassen – samt jahrelanger Verspätung.

Laut dem Industrieverband BDI hat sich die Verfahrensdauer in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren fast verdoppelt.

Die Union will nun das Klagerecht für Umweltverbände einschränken.

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