„Wir können die Welt nicht in der Bio-Nische retten“

von Redaktion

INTERVIEW Basic-Chef über die Rolle als Pionier, sinnfreie Öko-Produktion und Konkurrenz durch Discounter

Immer mehr Menschen achten beim Lebensmitteleinkauf auf das Prädikat „Bio“. Längst haben auch große Ketten und Discounter den Trend erkannt und bieten eigene, umfangreiche Bio-Sortimente an. Wie das der Münchner Pionier der Branche, der Bio-Filialist Basic, findet, fragten wir dessen Vorstandschef Stephan Paulke (55).

Herr Paulke, der erste basic-Supermarkt wurde vor mehr als 20 Jahren eröffnet, Was sagt der Fachmann: Sind biologische Lebensmittel nun endgültig auf dem Vormarsch?

Wir können uns jedenfalls über deutlich wachsenden Zuspruch freuen, sowohl beim Stammpublikum als auch bei neuen Kunden. Läden sind ja immer Bühnen des Zeitgeistes, und der ändert sich. Das Wachstum, das wir in der ganzen Branche erleben, ist das Spiegelbild eines Erkenntnisprozesses der Bevölkerung. Immer mehr Menschen vergegenwärtigen sich, dass wir unseren Lebensstil ändern müssen. Die Themen, die uns von Anfang an beschäftigt haben, sind noch viel dringlicher geworden. Wir haben in allen 16 Großstädten Zuwächse. München ist aber, was die Bio-Entwicklung angeht, weiter als andere Städte.

Basic war ja der Pionier der Bio-Supermärkte in München.

Wenn Sie mit der Garde der Ur-Bios sprechen, erheben mindestens zehn andere den Anspruch, in München den ersten Bioladen eröffnet zu haben. Basic war aber in der Tat der erste, der einen kompletten Bio-Supermarkt umgesetzt hat. Man muss unseren Gründern zugutehalten, dass sie einen damals revolutionären Ansatz verfolgten: Sie wollten auf saubere Lebensmittel und auf den Erhalt der Lebensgrundlagen für die Zukunft achten. Ich nehme mir viel Zeit zu analysieren, was basic heute im aktuellen Kontext im Kern ausmacht, weil wir bestrebt sind, dieses Konzept immer weiterzuentwickeln.

Was sind die jüngsten Neuerungen?

Nehmen wir das Thema Plastikverpackung: Vom Angebot unverpackter Ware über plastikverpackungsfreies Obst und Gemüse bis Pfandboxen machen wir alles, was geht. In München haben wir unter anderem letztes Jahr in allen Filialen die Möglichkeit geschaffen, flüssiges Waschmittel nachzufüllen. Eine solche Plastikflasche kann man zigmal benutzen. Eine wachsende Zahl von Menschen nimmt dieses Angebot an.

Will basic weiter wachsen?

Eine Riesen-Expansion ist von uns nicht zu erwarten. Wir sind ja Mittelstand und können nicht auf finanzielle Ressourcen zugreifen, wie das bei großen Konzernen der Fall ist. Wir müssen schon immer genau hinschauen, ob und wo wir uns die nächste Filiale leisten können. Aber es gibt auch Münchner Vermieter, die den Wandel, für den wir als Firma stehen, gut finden und darauf achten, dass bei der Zusammensetzung des Mietermixes diese Facette abgedeckt wird.

Sie haben inzwischen viel Konkurrenz bekommen von anderen Marken, Supermärkten und sogar Discountern. Sind Sie überholt worden?

Beim Begriff überholt muss ich natürlich ganz entschieden widersprechen. Es kommt immer darauf an, von welchen Dimensionen wir sprechen. Unser Anspruch ist es, den besten Bio-Supermarkt zu machen, den es gibt. Es existieren andere Ladenkonzepte, die weniger aufwendig sind, aber auch ihre Daseinsberechtigung haben. Sie können mit viel weniger Investitionen und viel weniger Umsatz pro Standort profitabel sein. Einen Markt mit 60 Prozent Frischeanteil kann man aber nicht beliebig oft in Deutschland umsetzen. Das ist eher ein Großmarktkonzept für bioaffine Standorte.

Wie beurteilen Sie die Bio-Angebote von Discountern wie Lidl und Aldi?

Grundsätzlich gilt: Je mehr landwirtschaftliche Produktion auf bio umgestellt wird, egal von wem, desto besser. Dieser Wandel muss stattfinden. Ein Discounter ist mit eingeschränktem Sortiment und großem Preisdruck unterwegs. Das heißt, große Mengen billig anzubieten. Das hat aber ein paar Nebeneffekte, die wir sehr kritisch sehen, und die in eine Zukunft weisen, wo eine stärkere Betonung von Unterschieden bei bio notwendig wird. Man muss darauf achten, dass negative Entwicklungen, die sich bis jetzt nur in der konventionellen Lebensmittelproduktion ausgebreitet haben, nicht auch auf die Bio-Produktion überspringen.

Wie äußert sich das?

Es gibt schon so etwas wie sinnbefreites bio. Im spanischen Almería wird zertifizierte Bio-Ware hergestellt, die mit dem Konzept biologisch angebauter Lebensmittel nur noch wenig zu tun hat.

Welche Forderungen haben Sie an Gesetzgeber?

Wichtig ist mir zum Beispiel das Thema Antibiotika. Der Einsatz von Reserve-Antibiotika gehört in der Geflügelzucht sofort verboten. Wenn Sie Geflügel ordentlich halten, brauchen Sie keine Antibiotika. Reserveantibiotika werden hergestellt, um Menschen, die mit multiresistenten Keimen Probleme haben, zu retten. Der größte Verwender dieser Reserveantibiotika ist aber die konventionelle Geflügelproduktion. Weil es billiger ist, mit Antibiotika zu produzieren. Ein konventioneller Anbieter zieht eine Geflügelherde in etwa 32 Tagen auf, eine Bio-Herde braucht 70 bis 80 Tage.

Was erwarten Sie von der EU?

In Brüssel hat Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast einstmals dafür gesorgt, dass es dafür überhaupt eine europäische rechtliche Definition für Bio-Zertifizierung gibt. Dafür muss man ihr noch heute dankbar sein. Die Revision der EU-Ökoverordnung, die sich derzeit anbahnt, ist allerdings eher zu fürchten. Bisher gilt nämlich, dass bio nach dem Prozess definiert wird: Wenn du als Bauer keine Pestizide auf dem Feld ausbringst, ist das Produkt bio. Die Revision könnte sich als bösartiger Versuch der Strangulierung der Biobranche herausstellen.

Mit Absicht?

Klar. Die konventionelle Nahrungsmittelindustrie kann es ja nicht dauerhaft akzeptieren, dass die Qualitätsführerschaft von einer kleinen Truppe von Bios erfolgreich für sich reklamiert wird. Wir müssen feststellen, dass viele Firmen unserer Branche in zunehmendem Maße das Problem haben, dass die Ernten von Bio-Rohstofflieferanten plötzlich kontaminiert sind. Die neue EU-Regel sieht nun die Außerkraftsetzung der Verursacherhaftung vor. Das heißt: Wenn zum Beispiel Glyphosat von einem konventionellen Landwirt ausgebracht wird, hat der Biobauer keine Chance, der Verfrachtung dieses Pestizids über den Luftweg auf sein Feld zu entkommen. Somit entscheidet er nicht mehr selber, ob seine Produkte Bio-Produkte sind oder nicht. Bei den Zulassungsverfahren für „Ackergifte“ wurden falsche Angaben gemacht. Bei Glyphosat etwa wurde versprochen, dass es sich auf dem Luftweg nicht ausbreitet. Das stimmt nicht. Es wurde aber nicht überprüft. Die Bundesregierung wird hier ihrer Verantwortung nicht gerecht.

Deshalb werden weiter Pionierleistungen von Ihnen erwartet …

Das Pionier-Sein ist immer wieder anstrengend, aber wir freuen uns, dass wir diesen Wandel mitgestalten können. Und es ist insgesamt gerade viel in Bewegung, auch im konventionellen Bereich. Wir können die Welt nicht in der Bio-Nische retten. „Bio Genuss für alle“ ist ernst gemeint. Wir aber haben das Selbstbewusstsein zu sagen: Wir sind ein Zwerg im deutschen Lebensmittelhandel, aber auf unsere Art ganz vorne.

Interview: Barbara Wimmer

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