Deutschland öffnet seinen Arbeitsmarkt

von Redaktion

VON MARTINA HERZOG, SIMON KREMER UND ANDREAS HOENIG

Berlin/Potsdam – Bundesregierung und Arbeitgeber setzen angesichts vieler offener Stellen bei deutschen Firmen große Hoffnungen in das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Am Sonntag trat das Gesetz in Kraft, jetzt soll es schnell wirken.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bezeichnete das Gesetz bereits vergangene Woche als „Meilenstein“ für den Standort Deutschland. Altmaier sagte, seit einigen Jahren sei der Mangel an Fachkräften eine der größten Wachstumsbremsen für die Wirtschaft. Dies solle nun auch mit dem Gesetz verbessert werden.

Fachleute zeigten sich vorsichtig optimistisch, dass das neue Gesetz wirkt. „Schon der Name ist ein deutliches Signal, dass wir uns für Fachkräfte aus dem Ausland öffnen“, sagte OECD-Migrationsexperte Thomas Liebig. Er merkte aber auch an: „Es wäre wichtiger, auf Anpassungsfähigkeit und hohe Motivation von Einwanderern zu achten als auf formale Qualifikationen.“ Das sei auch deshalb wichtig, weil der technologische Wandel die Arbeitswelt in Deutschland so stark verändern werde wie in kaum einem anderen Land.

Bislang können nur Uni-Absolventen aus Nicht-EU-Staaten ohne Arbeitsplatzangebot in Deutschland nach Jobs suchen. Von März an können auch Fachkräfte zur Arbeitsplatzsuche kommen, wenn sie Deutsch sprechen und ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Die Vorrangprüfung, bei der geprüft wird, ob nicht auch ein inländischer Bewerber zur Verfügung steht, soll für qualifizierte Ausländer mit Arbeitsvertrag entfallen. Visa sollen schneller vergeben werden. Für EU-Bürger gilt weiterhin Arbeitnehmerfreizügigkeit.

Altmaier sagte am Freitag, Zielländer zur Anwerbung von Fachkräften seien etwa Vietnam, Brasilien oder Bosnien und Herzegowina. Die Fehler der Zuwanderungspolitik der 60er- und 70er-Jahre in Deutschland sollten vermieden werden. Damals sei es vor allem darum gegangen, den Bedarf an ungelernten Arbeitnehmern zu decken. „Man hat sich über schulische Integration, über Ausbildung, über Sprachkenntnisse damals keine Gedanken gemacht, daraus sind soziale Spannungen entstanden.“ Nun sollten Menschen mit Qualifikationen kommen, bereits vor der Einreise sollten bestimmte Deutschkenntnisse vorhanden sein.

Viele Betriebe können derzeit Stellen nicht besetzen, weil geeignete Bewerber fehlen. Das liegt auch an der demografischen Entwicklung, da die geburtenstarke Jahrgänge allmählich in Rente gehen. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer sagte, die deutsche Wirtschaft bekomme schon längst zu spüren, dass der Bedarf an Fachkräften allein mit inländischen Fachkräften nicht mehr gedeckt werden könne.

Ob das neue Gesetz den erhofften Erfolg bringt, muss nach Einschätzung von Beobachtern die Praxis zeigen. „Entscheidend ist jetzt, dass das Gesetz bürokratiearm und mittelstandsfreundlich umgesetzt wird“, heißt es vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). „Schon jetzt beobachten wir eine rasant steigende Zahl von Anfragen.“ Häufig gehe es dabei um Situationen, in denen Handwerksbetriebe schon ausländische Fachkräfte kennen und diese möglichst schnell ins Land holen wollten.

Die Vorsitzende des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration, Petra Bendel, betonte: „Wichtig sind gute Sprachkurse, schnelle Visa und dass im Ausland erworbene Qualifikationen zügig anerkannt werden. Erst dann wird das Gesetz wirken.“

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