Frankfurt – Am 26. März soll es bei der Telekom so weit sein: Dann werden zur Hauptversammlung in Bonn bis zu 3000 Aktionäre erwartet. Am 1. April hat Daimler seine Anteilseigener nach Berlin zum jährlichen Treffen eingeladen. 5000 Aktionäre waren dafür in den vergangenen Jahren in die Hauptstadt gekommen. Bei 600 bis 700 Unternehmen steht die Hauptversammlung (HV) in den nächsten Wochen und Monaten im Kalender, bei den großen Konzernen mit einigen tausend Teilnehmern, bei anderen mit nur ein paar hundert. Wegen der Coronavirus-Epidemie und der Empfehlung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, Versammlungen mit mehr als 1000 Menschen abzusagen, drohen auch bei den Hauptversammlungen Verschiebungen.
Stattfinden müssen sie laut Aktiengesetz spätestens acht Monate nach Ende des Geschäftsjahres, bei europäischen Aktiengesellschaften (SE) innerhalb von sechs Monaten. Zeit wäre also bis Ende August (oder Ende Juni), sofern das Geschäftsjahr mit dem Kalenderjahr übereinstimmt. Klar ist auch: Es müssen Präsenzveranstaltungen sein mit der Option für die persönliche Teilnahme. „Geister“-Treffen nur mit Vorstand und Aufsichtsrat analog Fußball-Spielen ohne Zuschauer sind nicht möglich. Aktionärinnen und Aktionäre sind schließlich keine bloßen Zuschauer, sondern die Eigentümer der Unternehmen, die Punkte auf die Tagesordnungen setzen und auch sprechen können. „Eine Online-HV kann es nicht geben“, sagt Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), deren Vertreter jedes Jahr rund 650 Hauptversammlungen besuchen.
Auf der Hauptversammlung werden zudem wichtige Entscheidungen getroffen, etwa über die Dividende oder über möglicherweise geplante Kapitalmaßnahmen. Vorstand und Aufsichtsrat müssen entlastet werden. Mit anderen Worten: Ohne HV wird keine Dividende gezahlt. Und da geht es in Deutschland bei den 100 größten Aktiengesellschaften nach Angaben der DZ Bank in diesem Jahr um gut 47 Milliarden Euro.
„Noch gibt es keine Absagen“, sagt DSW-Vertreter Kurz. Das könne sich aber auch noch ändern. „Wir stehen in Kontakt mit den Behörden und beobachten laufend die Entwicklung“, betont Matthias Krust, Sprecher bei Daimler.
Natürlich beschäftigen sich die Unternehmen mit möglichen Verschiebungen, versuchen schon einmal alternative Termine für Hallen oder Kongress-Zentren im Frühsommer oder Sommer zu buchen. Eine Option wäre auch die Verteilung der HV auf mehrere getrennte Räume in einem Kongress-Zentrum und die Übertragung über Video-Wände. Möglicherweise müssen, wie Juristen sagen, die Teilnehmerverzeichnisse an die Gesundheitsbehörden übermittelt werden, um eine mögliche Infektionskette nachvollziehen zu können.
Die Unternehmen stecken jedenfalls mitten in den Vorbereitungen. Einladungen an die Aktionäre müssen spätestens sechs Wochen vor der HV raus, die Unterlagen für den Vorstand und Aufsichtsrat müssen sogar spätestens zwei Monate davor fertig sein. Auch die technische Ausstattung der Räume muss vorbereitet werden. Der Aufwand ist beträchtlich. Wenn die Deutsche Bank die Aktionäre alljährlich im Mai in die Frankfurter Festhalle lädt, muss der gesamte Bereich mit Lautsprechern versehen werden, auch jede Toilette. „Noch planen wir normal“, heißt es aus einer Bank in Frankfurt. ROLF OBERTREIS