Frankfurt – Mit einem Notfall-Paket und weiteren Finanzspritzen versucht die Europäische Zentralbank (EZB) die Banken und damit die Unternehmen in der Corona-Krise zu stützen. Nach der Ratssitzung am Donnerstag betonte Präsidentin Christine Lagarde allerdings in einem dramatischen Appell, dass in der aktuellen Krise vor allem die Regierungen und alle anderen politischen Institutionen in Europa gefragt seien, nicht in erster Linie die Notenbank. „Eine ambitionierte und koordinierte Antwort der Politik ist erforderlich. Sie muss jetzt agieren, stark und gemeinsam“, sagte die Französin. Die EZB werde ihren Beitrag dazu leisten.
Zwar ließ der Rat der Notenbank den Leit- und den Einlagezins mit null und minus 0,5 Prozent unverändert. Er stellt aber eine weitere langfristige Kredittranche zu einem Negativzins von minus 0,5 Prozent für die Banken in Europa bereit. Darüber können die Institute unbegrenzt Mittel bei der EZB abrufen. Davon sollen vor allem kleinere und mittlere Unternehmen profitieren, die von der aktuellen Krise besonders betroffen sind. Auch die Konditionen für ein laufendes Sonderkreditprogramm werden erleichtert mit Negativzinsen von bis zu minus 0,75 Prozent. Damit verzichtet die EZB bei der Bekämpfung der Corona-Krise bewusst auf Zinseinnahmen. Schließlich will die Notenbank bis zum Jahresende zusätzlich für 120 Milliarden Euro vor allem Unternehmensanleihen kaufen. Das werde für vorteilhafte Finanzierungsbedingungen für die Realwirtschaft in Zeiten erhöhter Unsicherheit sorgen, was vor allem kleinen und mittelgroßen Unternehmen zugutekommen soll. Derzeit kauft die EZB für 20 Milliarden Euro im Monat vor allem Anleihen der Eurostaaten, um damit die Finanzierungsbedingungen für Staaten und die Wirtschaft zu erleichtern.
Gleichzeitig hat die bei der EZB angesiedelte Bankenaufsicht Kapitalauflagen für die Banken für einen nicht festgelegten Zeitraum erleichtert, um deren Unterstützung für die Realwirtschaft und die Unternehmen zu fördern.
Lagarde zufolge hat die EZB die Maßnahmen im Kampf gegen die Corona-Krise beschlossen, die für die Notenbank derzeit möglich sind. „Wir geben in dieser Phase eine höchst effiziente Antwort auf die Umstände“, zeigte sich die Französin überzeugt. „Wir nutzen jede Flexibilität, die wir haben.“ Zur Unterstützung dieser Maßnahmen seien allerdings auch Garantien der Regierungen und europäischer Institutionen für die Banken wichtig, damit diese weiter Kredite an die Unternehmen ausreichen können.
In dieser Phase muss nach Ansicht der EZB-Chefin auch eine höhere Verschuldung einzelner Staaten wegen der hohen Ausgaben für das Gesundheitswesen in Kauf genommen werden. Dessen sei man sich bei der EZB bewusst. Wovor sie Angst habe, sei Selbstzufriedenheit und ein zu zögerliches Agieren der Regierungen, betont die EZB-Präsidentin. Sie hofft, dass der derzeitige Schock für die Wirtschaft zeitlich begrenzt ist.
Lagarde ließ nach der Ratssitzung durchblicken, dass die Notenbank zu weiteren Maßnahmen bereit sei, sollte das erforderlich werden. Das Notfallpaket habe der Rat einmütig beschlossen.