Berlin – Mit milliardenschweren Notpaketen will die Bundesregierung in der Coronakrise Firmen und Arbeitsplätze schützen. Das Kabinett will heute Zuschüsse für Kleinstfirmen und Solo-Selbstständige auf den Weg bringen. Großunternehmen sollen über einen Fonds notfalls auch durch Verstaatlichungen gerettet werden können. Die Regierung plant außerdem Nachbesserungen bei Kreditprogrammen für kleine und mittlere Firmen. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag warnte vor einer „Pleitewelle unvorstellbaren Ausmaßes“.
Milliarden für kleine Firmen
Für Kleinstfirmen und Solo-Selbstständige, die keine Kredite erhalten und nicht über Sicherheiten verfügen, soll es laut Kabinettsvorlage direkte Zuschüsse geben. Firmen mit bis zu fünf Beschäftigten sollen eine Einmalzahlung von 9000 Euro für drei Monate bekommen, Firmen mit bis zu zehn Beschäftigten 15 000 Euro. Das Geld soll dem Vernehmen nach bereits im April fließen. Der Bund will bis zu 50 Milliarden Euro bereitstellen und rechnet mit einer maximalen Ausschöpfung von drei Millionen Selbstständigen und Kleinstunternehmen.
Stabilisierungsfonds für Konzerne
Die Bundesregierung plant zudem einen „Wirtschaftsstabilisierungsfonds“. Er soll mit 400 Milliarden Euro ausgestattet werden, mit denen Schuldtitel und Verbindlichkeiten von Unternehmen übernommen werden. 100 Milliarden Euro will Finanzminister Olaf Scholz (SPD) für Kreditermächtigungen für Beteiligungsmaßnahmen an den Firmen bereitstellen. Weitere 100 Milliarden Euro sollen für Sonderprogramme der staatlichen Bankengruppe KfW fließen. Geraten deutsche Firmen in eine existenzielle Schieflage, kann die Bundesregierung sie absichern – die Firma müsste dafür aber Kapitalanteile an den Bund abtreten. Wenn die Krise vorbei ist, sollen diese Beteiligungen wieder privatisiert werden.
Von der Coronavirus-Krise besonders hart betroffen ist derzeit die Luftfahrt- und Reisebranche mit Flaggschiffen wie der Lufthansa. Banken und Finanzkonzerne fallen nicht unter den Rettungsschirm. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte, die Regierung wolle einen „Ausverkauf“ deutscher Wirtschaftsinteressen verhindern. Denn in der Bundesregierung wächst die Sorge, dass deutsche Unternehmen ins Übernahmevisier ausländischer Konzerne kommen könnten – etwa aus China.
Notkredite für den Mittelstand
Die Bundesregierung hatte bereits unbegrenzte Kreditprogramme beschlossen, um die Liquidität von Firmen zu sichern. Dabei soll es nun Nachbesserungen geben. Die KfW soll bei kleinen und mittleren Unternehmen bei Betriebsmittelkrediten statt wie bisher 80 Prozent nun 90 Prozent des Kreditrisikos übernehmen, wie aus Kreisen des Wirtschaftsministeriums zu erfahren war.
Neuverschuldung von 156 Milliarden Euro
Um alle geplanten Maßnahmen zu finanzieren, muss das Finanzministerium einen Nachtragshaushalt für das Jahr 2020 aufstellen. Gerechnet wird mit 122,8 Milliarden Euro mehr Ausgaben als vor der Coronakrise geplant. Außerdem dürften wegen der wirtschaftlichen Rezession 33,5 Milliarden Euro weniger an Steuern reinkommen. Das kann der Bund nicht aus dem regulären Haushaltstopf stemmen – deshalb soll er in diesem Jahr ausnahmsweise zusätzliche Kredite in Höhe von rund 156 Milliarden Euro aufnehmen dürfen.
Das ist wegen der Schuldenbremse im Grundgesetz nicht einfach so möglich. Deshalb will Finanzminister Olaf Scholz (SPD) das Kabinett und den Bundestag bitten, eine Notfallregelung in Kraft zu setzen. Laut Grundgesetz ist eine hohe Neuverschuldung möglich im Fall von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen. Mit der geplanten Kreditaufnahme dürfte nach sechs Jahren ohne neue Schulden die „schwarze Null“ im Bundeshaushalt fallen – und dann gleich mit einer Rekord-Neuverschuldung.
Debatte um Corona-Bonds
Die Pandemie belastet alle Euro-Staaten massiv, vor allem Italien. Führende Ökonomen forderten in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, es seien nun Gemeinschaftsanleihen notwendig, um die „Kosten der Krise auf viele Schultern“ zu verteilen. Aus Deutschland kam heftiger Widerstand, weil Risiken vergemeinschaftet würden.