München/Berlin – Nachdem einige Großkonzerne flink auf die Möglichkeit reagiert haben, Mietzahlungen in der Pandemie-Krise hinauszuzögern, schlug Firmen wie Adidas, H&M und Deichmann übers Wochenende Empörung entgegen. Wie berichtet, hatten die Firmen wegen der angeordneten Ladenschließungen die Mietzahlungen für ihre Filialen in Deutschland eingestellt.
Spitzenpolitiker geißelten das Verhalten der Großunternehmen als unsolidarisch, während Kunden auf Sozialmedien schworen, nie wieder deren Produkte zu kaufen. „Wenn jetzt finanzstarke Unternehmen einfach ihre Mieten nicht mehr zahlen, ist dies unanständig und nicht akzeptabel“, sagte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht von der SPD. Das Hilfsgesetz sei für Unternehmen gedacht, die sich wirklich in Zahlungsschwierigkeiten befinden.
Die Schuhkette Deichmann spekuliert in einer Mitteilung bereits offen darauf, dass sie die einbehaltene Miete auch später nicht nachzahlen müsse, weil der Staat einspringe. Bei Adidas erfolgte der Zahlungsstopp wohl als Teil einer Gesamtstrategie: Freiberufler aus der Werbebranche klagen auf Twitter, der Konzern bezahle mit Hinweis auf Corona seine Rechnungen nicht mehr. Adidas hat im vergangenen Jahr zwei Milliarden Euro Gewinn gemacht und hat laut Bilanz von 2019 gut 800 Millionen Euro auf der hohen Kante.
In dem entsprechenden Gesetz fehlt tatsächlich die Einschränkung, dass die Erleichterungen nur für Privatleute und Kleinunternehmen gelten sollten, nicht für Weltkonzerne mit hohen Reserven. Vielleicht reagierten gerade deshalb die Politiker der Regierungskoalition, die das Hilfspaket verabschiedet hat, so betont empört. „Ich bin der Meinung, dass wir unser Gesetz nicht dafür beschlossen haben, dass sich Dax-Konzerne schadlos halten“, sagt der 38-jährige SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post in einem Video, das er am Samstagabend auf Twitter gestellt hat. Darin verbrannte er symbolisch ein T-Shirt des Sportartikelherstellers: „Ich werde keine Adidas-Sachen mehr tragen.“ Zuvor hatte sich Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) „sehr enttäuscht“ gezeigt. Das Schlagwort #NieWiederAdidas trendete am Sonntag heftig auf Sozialmedien.
Das Justizministerium hat von Anfang an darauf hingewiesen, dass das Gesetz nicht so gemeint ist, wie die Unternehmen es jetzt interpretieren. Es sieht im Wortlaut nur eine „Beschränkung der Kündigung“ durch den Vermieter vor, keinen landesweiten Mietaufschub für alle Betroffenen.
Am Sonntagabend ruderte Adidas zurück: Der Sportartikelkonzern will privaten Vermietern seiner Läden unverändert die Miete für April zahlen. Das sagte der Vorstandsvorsitzende Kasper Rorsted im Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.
Nur im Ausnahmefall sind die Vermieter Privatpersonen, die meisten eigenen Geschäfte würden von großen Immobilienvermarktern und Versicherungsfonds angemietet. Sie hätten für die Maßnahme, die Mietzahlungen vorläufig einzustellen, „überwiegend Verständnis gezeigt“.