München – Seit Jahren, fast Jahrzehnten, wird den großen Kaufhäusern in Deutschland das Ende vorausgesagt. Das Konzept, alle Waren unter einem Dach anzubieten, habe sich überholt, heißt es. Im Mittelpunkt der Diskussion: Die Traditionshäuser Karstadt und Galeria Kaufhof. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Bislang haben nicht einmal Pleiten und jahrelange Übernahmepoker das Kaufhaus-Konzept in die Knie zwingen können. 2009 schlitterte die Karstadt-Mutter Arcandor in die Insolvenz, 2010 wurde die Kette an die Berggruen Holding verkauft, 2014 ging Karstadt an den Signa-Konzern des Österreischischen Immobilien-Investors René Benko. In all den Jahren wurden Häuser geschlossen, Stellen gestrichen, Ladenkonzepte erneuert – und das Kaufhaus lebte weiter.
Im Herbst 2018 schien die Zukunft ein für alle Mal gesichert, als bekannt wurde, dass Karstadt mit dem größten Konkurrenten Galeria Kaufhof fusionieren will – unter dem Dach des Signa-Konzerns von René Benko. Noch einmal sollte kräftig durchsaniert werden, um das Warenhaus-Konzept zukunftssicher zu machen.
Und jetzt das: Die neu geschaffene „Warenhaus AG“ namens Galeria Karstadt Kaufhof sieht sich gezwungen, ein Schutzschirmverfahren einzuleiten. Das Amtsgericht Essen hat einen Insolvenzexperten bestellt. Die „harten wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise“ hätten diesen Schritt notwendig gemacht, teilte der Warenhaus-Konzern mit. Nach eigenen Angaben verliert Galeria Karstadt Kaufhof durch die Schließung der Häuser seit dem 18. März jede Woche mehr als 80 Millionen Euro Umsatz. Bis Ende April werde sich der Umsatzausfall auf mehr als eine halbe Milliarde Euro summieren.
Das Schutzschirmverfahren ist eine Besonderheit im deutschen Insolvenzrecht: Es bewahrt ein in die Krise geratenes Unternehmen vor dem Zugriff der Gläubiger, ohne dass der Betrieb bereits Insolvenz anmelden muss. Die Geschäftsführung kann das Unternehmen weiter verantwortlich lenken und selbstständig sanieren.
Um die eigenen Kosten zu senken, hatte der Warenhaus-Konzern bereits vor Wochen für weite Teile der Belegschaft Kurzarbeit beantragt. Nun geschah dies auch für die 1300 Mitarbeiter der Zentrale. Außerdem stoppte der Konzern die Mietzahlungen für alle Warenhäuser, Sporthäuser, Reisebüros und Logistikimmobilien. Zugleich bemühte sich der Konzern um staatliche Hilfsgelder. Doch eine Einigung mit den Banken erwies sich als schwierig.
Für den Warenhaus-Konzern kommt das Schutzschirmverfahren zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. „Die Restrukturierung der Warenhäuser war vor dieser Krise auf einem sehr guten Weg“, betonte Finanzvorstand Müllenbach. René Benko selbst lobte noch Anfang März die Fortschritte im Sanierungsprozess. Der Stellenabbau im Zuge des Zusammenschlusses sei praktisch abgeschlossen, betonte er.
Hat sich die über 100 Jahre alte Idee des Kaufhauses jetzt endgültig überlebt? Nein, ist sich der Handelsverband Bayern sicher. „Wir brauchen die großen Kaufhäuser für die Innenstädte, sie sind das Herz einer jeden bayerischen Kommune“, sagte Verbandssprecher Bernd Ohlmann. „Wo ein solches Kaufhaus steht, gibt es eine hohe Kundenfrequenz.“ Davon profitiere der gesamte Einzelhandel in der Umgebung.
Ohlmann ist davon überzeugt, dass das Warenhaus-Konzept „alles unter einem Dach“ auch nach der Corona-Krise eine Zukunft hat. „Schon vor Jahren wurde das Ende der Kaufhäuser prophezeit, das hat sich bislang immer als Irrtum herausgestellt“, sagte er. „Wenn die Corona-Schlacht geschlagen ist und sich der Rauch wieder verzogen hat, dann bin ich mir ziemlich sicher, dass Galeria Karstadt Kaufhof noch immer dabei ist.“