Brüssel – Im Streit über europäische Hilfen gegen die Corona-Wirtschaftskrise haben Äußerungen des italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte die Hoffnung auf eine rasche Einigung gedämpft. Vor Beratungen der EU-Finanzminister nannte Conte Kredite des Eurorettungsschirms ESM „absolut unzureichend“ und beharrte auf Eurobonds, also gemeinsamen europäischen Schuldtiteln. Solche Gemeinschaftsanleihen treffen aber weiter auf Widerstand Deutschlands und anderer Länder.
An Italien und Spanien war bereits eine Einigung der EU-Staats- und Regierungschefs Ende März gescheitert. Die Finanzminister erhielten den Auftrag, neue Modelle zu erarbeiten. In den vergangenen Tagen wurde ein Paket aus drei Instrumenten verhandelt: vorsorgliche Kreditlinien aus dem Eurorettungsfonds ESM für besonders betroffene Staaten; ein Krisenfonds bei der Europäischen Investitionsbank und EU-Unterstützung für Kurzarbeiter.
Eurogruppen-Chef Mario Centeno sagte zuvor, für diese Instrumente gebe es breite Unterstützung. Zusammen ergäben sie ein „Sicherheitsnetz“ im Wert von einer halben Billion Euro. Es zeichnete sich ab, dass der Streit über Gemeinschaftsanleihen vertagt würde auf die „Wiederaufbauphase“ nach der Pandemie.
Conte erteilte jedoch den ESM-Hilfen eine Absage und sagte: „ESM nein, Eurobonds definitiv ja. Der ESM ist absolut unzureichend, Eurobonds hingegen sind die Lösung, eine seriöse, effektive, angemessene Reaktion auf den Notfall.“ Mit seinem Finanzminister Roberto Gualtieri stimme er da völlig überein.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz erneuerte indes seine Ablehnung gegen Corona-Bonds auf europäischer Ebene. Mit der EIB, dem ESM und dem Konzept „Sure“ gebe es drei „ganz starke Signale der Solidarität“, sagte der SPD-Politiker. Dazu könne noch ein Europäisches Wiederaufbauprogramm kommen, damit die Wirtschaft in Europa wieder wachse.
Der niederländische Finanzminister Wopke Hoekstra bekräftigte ebenfalls das Nein zu Eurobonds und stellte auch Details der übrigen Instrumente infrage. So forderte er Finanzhilfen aus dem ESM mit Reformforderungen zu verbinden, etwa Reformen im Sozialsystem und die Erhöhung des Rentenalters. Zuletzt hatte es aus Verhandlungskreisen geheißen, die Bedingungen für die ESM-Hilfen sollten auf ein Minimum begrenzt bleiben.
Der französische Finanzminister Bruno Le Maire legte die Latte für eine Einigung mit seinen EU-Kollegen ebenfalls hoch. Er hatte als Kompromiss in der Eurobonds-Frage vorgeschlagen, einen neuen Rettungsfonds zu gründen und diesen gemeinsame Anleihen herausgeben zu lassen.
Der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, sprach sich dafür aus, bei finanziellen Hilfen für besonders schwer getroffene EU-Staaten auf existierende Finanzierungsmechanismen zu setzen. „Wirtschaftlich ist es sicherlich der beste Weg, die bestehenden Instrumente zu nutzen“, sagte Fuest. „Corona-Bonds sind von der Idee her schon in Ordnung, das Problem ist, wir haben derzeit gar keine Institution, die diese Bonds herausgeben könnte“, sagte Fuest.
Der ESM sei in Italien unpopulär, „insbesondere weil er dafür steht, dass man harsche Bedingungen mit den Krediten verbindet, dass man sagt, ihr müsst sparen, ein Austeritätsprogramm durchführen, das wäre jetzt natürlich das Falsche“, sagte Fuest. Die Hilfen könnten aber so gestaltet werden, „dass man sagt, das Land bekommt Kredite und die einzige Bedingung ist, dass man das Geld für die Bekämpfung der Pandemie einsetzt, also keine Austerität“, sagte der Ifo-Chef. „Unter diesen Bedingungen sollte es akzeptabel sein.“