Ölkauf: Warten kann trotz Preisrutsch lohnen

von Redaktion

Erstmals in der Geschichte ist der Preis für einen Ölkontrakt ins Negative gerutscht. Wer das Öl abnahm, bekam dafür Geld. Doch Verbraucher profitieren von dieser Entwicklung bisher kaum.

VON MARTIN PREM

München – Minus 40 Dollar. Das war ein eindeutiges Signal für einen Mai-Kontrakt für US-Öl der Sorte WTI. Wie kann so etwas passieren? Und welche Auswirkungen hat das auf die Preise für Heizöl oder Benzin? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie kann ein Ölpreis ins Negative rutschen?

Mit dem Kontrakt verpflichtet sich der Käufer, zu einem bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte Menge Öl zu erwerben. Derzeit herrscht ein Überangebot auf dem Weltmarkt. Die Lager sind voll. Öl wird bereits auf großen Öltankern gebunkert. Und die Lagerung ist teuer. Viel Angebot, kaum Nachfrage. Das drückt auf die Preise.

War der Negativ-Preis ein einmaliges Ereignis?

Das kann man nicht vorhersagen. Doch auch die Preise für Juni-Kontrakte sind in der Folge deutlich gefallen – von über 20 auf zeitweise rund zwölf Dollar (WTI) und auf 18 Dollar bei der Nordsee-Ölsorte Brent. Eine Wiederholung ist also denkbar.

Warum ist Öl derzeit so billig?

Das ist eine Folge der Corona-Krise. Weil die Wirtschaft und öffentliches Leben in vielen Ländern heruntergefahren ist, ist die Nachfrage – besonders nach Kerosin – massiv eingebrochen.

Wirkt sich das auf die Kosten fürs Tanken und Heizen aus?

Nur sehr bedingt. Zwar sind die Preise an den Tankstellen und auch für Heizöl so niedrig wie lange nicht mehr. Aber gemessen an der Entwicklung der Rohölmärkte sind sie noch viel zu hoch. Und die Erdgaspreise steigen gerade auf breiter Front. Und entscheidend für die Verbraucher in Europa sind nicht die US-Notierungen, sondern die europäische Sorte Brent. Allerdings gerieten gestern auch die bislang stabileren Preise für Brent-Öl unter Druck.

Warum kommen gesunkene Preise nicht voll bei den Verbrauchern an?

Zum Teil zumindest, „weil viele Verbraucher jetzt das Schnäppchen machen wollen, das es gar nicht gibt“, sagt Oliver Klapschus vom Internetportal Heizöl24. Als die Preise zu rutschen begannen, orderten viele Verbraucher große Mengen an Heizöl, sodass es zu langen Lieferzeiten kam. Also kein Grund, die Preise zu senken. „Die Händler beherrschen die Nachfrage nicht mehr“, sagt der Öl-Experte. Er spricht vom Herdenverhalten vieler Verbraucher. „Das ist ähnlich wie derzeit beim Klopapier.“

Kann es sich lohnen, mit der Bestellung noch abzuwarten?

Das hält der Ölpreis-Beobachter Klapschus jetzt für sinnvoll. Denn wenn viele Tanks gefüllt sind und Heizölhändler kurzfristig liefern können, werden sich die Weltmarktpreise auch auf die Notierungen für Heizöl niederschlagen. „Im Sommer oder Spätsommer“, erwartet er.

Gibt es Unterschiede bei der Entwicklung in Deutschland?

Es gibt erneut ein starkes Süd-Nord-Gefälle. In Süddeutschland müssen bis zu 15 Euro pro 100 Liter mehr bezahlt werden als im Norden. Eine der Ursachen sind begrenzte Transportkapazitäten von Nord nach Süd. Auch hier könnte im Sommer eine sinkende Nachfrage nach Heizöl für Entspannung sorgen.

Wann ist mit wieder steigenden Preise zu rechnen?

Nachdem die Corona-Krise andauert, ist im Augenblick keine Entspannung in Sicht. Damit dürfte sich die Lage an den Märkten in den nächsten Wochen und Monaten kaum erholen. Und selbst wenn Branchen wieder hochfahren, dauert es Wochen oder sogar Monate, bis in den Fabriken alles läuft.

Besteht die Gefahr, dass die Opec den Ölhahn zudreht?

Derzeit nicht. Zum einen gehören viele wichtige Förderländer dem Kartell nicht mehr an. Außerdem sind die Interessen unterschiedlich. Saudi-Arabien hätte gern sehr viel höhere Preise, macht aber auch bei niedrigen Preisen noch Gewinn. In Russland ist die Förderung teurer und in den USA wegen der aufwendigen Fracking-Technologie mit Abstand am teuersten. Je länger die Situation anhält, desto schlechter wird für viele US-Ölförderer die wirtschaftliche Lage. Viele könnten zum Aufgeben gezwungen sein. Deshalb kann es sich für die Araber auszahlen, eine ganze Weile mit niedrigen Preisen zu leben.

Sind die niedrigen Ölpreise für die deutsche Wirtschaft ein Vorteil?

Kurzfristig gedacht schon. Langfristig trifft eher das Gegenteil zu. Die Erwartungen der Akteure an den Rohstoffmärkten sind ein wichtiger Indikator für die Entwicklung der Weltkonjunktur. Und es sieht so aus, dass diese Erwartungen eher noch pessimistischer sind als die vieler Ökonomen, die ohnehin schon dem schlimmsten Einbruch seit der Weltwirtschaftskrise von 1929 erwarten. Für exportorientierte Länder wie Deutschland, Japan oder Südkorea wäre das kein gutes Szenario.   Mit Material von dpa und afp

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