Berlin – Abstandsregeln im Supermarkt, Kantinen und Restaurants seit Wochen dicht: Die Corona-Krise versetzt das Geschäft mit Lebensmitteln in einen Ausnahmezustand. Nach einer Phase mit Hamsterkäufen spielt sich ein neuer Alltag ein. Landwirten und Verarbeitern bringt das neue Unwägbarkeiten. Dazu warten Bauern in manchen Regionen auf Regen. Ein Marktbericht des Bauernverbands (Stand Ende April) zeigt das Ausmaß.
Milch
Vor allem Trinkmilch, Quark und Käse verbuchen in den Supermärkten Umsatzrekorde, heißt es in der Analyse. „Bevorratungskäufe“ mit Milchprodukten flauten aber nun ab. Absatz an die Gastronomie gebe es de facto weiterhin nicht. Auch deshalb gingen Preise vor allem für Butter und einige Käsesorten runter. Im Einzelhandel gibt es nach ersten Verhandlungen aber Signale für ein Preisplus für Trinkmilch fürs nächste halbe Jahr. Der Erzeugerpreis für die Bauern liegt derzeit mit etwa 33 Cent je Kilogramm Milch auf dem Niveau des mehrjährigen Mittels. Stärker gefragt ist Bio-Milch.
Schweinefleisch
Bei Schweinen treten negative Folgen der Krise immer stärker zutage, wie es im Bericht heißt. Den Wegfall eines Großteils der Gastronomie könne der Einzelhandel nicht voll ausgleichen. Die beginnende Grillsaison bringt noch keine Impulse. Auch der Export läuft nicht so stark wie erhofft. Zwar habe China großen Bedarf an Schweinefleisch, setze Exporteure aber unter Preisdruck – und da bereite deutschen Vermarktern vor allem „extrem günstige Ware“ aus den USA Probleme.
Geflügel
Wichtige große Bestellmengen aus Gaststätten und Kantinen fehlen, was für weite Teile des Marktes die Preise drückt. Da die laufende Produktion nicht ganz verkauft werden konnte, mussten „Übermengen“ eingefroren werden. Das machte wiederum Kühlkapazitäten knapp. Ein Beispiel sind Hähnchenschenkel, die in der Dönerproduktion verwendet werden. Doch die sei weitgehend zum Ruhen gekommen.
Getreide
Leergeräumte Nudelregale haben viele Kunden noch vor Augen. Die hohe Weizennachfrage wegen solcher Hamsterkäufe habe sich aber deutlich abgeschwächt. Bange Blicke der Ackerbauern in vielen Regionen richten sich derzeit auf die Felder. „Ergiebiger Landregen im Mai bei gemäßigten Temperaturen ist unbedingt nötig, damit sich das Wintergetreide, Mais und Zuckerrüben noch gut entwickeln können“, heißt es im Bericht. Gerade erst gesäter Mais keime in staubtrockenen Böden teils nicht. Wettersorgen gibt es auch beim Anbau von Gras als Tierfutter, wo schon „Erinnerungen an das Dürrejahr 2018“ hochkommen.
Obst und Gemüse
Bei Obst- und Gemüsebauern gebe es „einige Unruhen im Marktgeschehen“, erläutern die Experten. Order des Handels kämen in Wellen, die Verbrauchernachfrage sei schwerer kalkulierbar. Gemüse werde aus Italien, Spanien und zunehmend den Niederlanden importiert. Heimische Äpfel seien gefragt, die Marktversorgung reiche wohl bis zur Ernte August/September. Bei wichtigen Saisonkräften fürs Ernten und Pflanzen habe sich die Lage entspannt – vorerst 80 000 Helfer aus Osteuropa können eingeflogen werden.
Kartoffeln
Das Geschäft mit Pommes frites ist abgestürzt. „Der faktische Wegfall des Außerhaus-Verzehrs bringt den Absatz in ganz Europa praktisch zum Erliegen.“ Verarbeiter hätten die Produktion gestoppt oder planten es. Marktexperten schätzten einen „Überhang“ an Fritten-Kartoffeln von zwei Millionen Tonnen in Nordwesteuropa. Zum Vergleich: Die ganze Kartoffelernte Deutschlands beträgt 10 Millionen Tonnen. Bei Speisekartoffeln ist die Kaufwelle im Handel laut Bericht aber abgeebbt.
Verbraucherpreise
Die Nahrungsmittelpreise steigen seit einigen Monaten stärker als die Inflationsrate – im April um vorläufig 4,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Dabei gab es bei Gemüse einen Sprung um 26 Prozent, bei Obst um 14 Prozent, wie es im Bericht heißt. Hintergrund bei Obst seien überwiegend kleinere Erntemengen. Vor allem bei Gemüse aus Südeuropa zeigten sich aber Corona-Folgen: fehlende Erntehelfer und Logistik-Hindernisse. Dagegen sind Kartoffeln günstiger.