Neustart bei BMW nach acht Wochen Pause

von Redaktion

VON MARTIN PREM

München – Vor dem Werkstor in der Dostlerstraße hinter dem BMW-Vierzylinder warten Werksbusse auf das Schichtende, fast wie im Normalbetrieb. Im Werk selbst sind kaum Menschen anzutreffen. Bis Ende vergangener Woche herrschte Ausnahmezustand in den Werkshallen des BMW-Stammwerks: Gähnende Leere, die Bänder stehen still – seit acht Wochen. Die halbfertigen Karosserien sind mit Plastikplanen abgedeckt.

Das ändert sich heute. Um sechs Uhr früh läuft im BMW-Stammwerk wieder die erste Schicht an.

Völligen Stillstand hat es ohnehin nicht gegeben. Der Werkschutz war da, der medizinische Dienst ebenso wie die Motorenproduktion, die bereits seit Wochen wieder läuft, um die Montagewerke in China und den USA zu beliefern. Seit einer Woche herrscht auch wieder im Werk in Dingolfing Betrieb.

Das Werk hat ein doppeltes Fitnessprogramm hinter sich: für die Produktion unter Corona-Bedingungen. Und für die Integration des ersten hier gebauten vollelektrischen Großserienmodells, den i4, der ab 2021 mit den 3er-Modellen vom Band läuft. Darauf ist man bei BMW stolz. Das schafft kein Konkurrent: Elektroautos, Benziner, Diesel und auch Hybride rollen auf einer Fertigungsstraße und im gleichen Takt vom Band.

Vergangene Woche waren bereits rund 1500 von knapp 8000 Mitarbeitern wieder da. Führungskräfte sorgten dafür, dass der Betrieb heute wieder anlaufen kann. Aber auch zahlreiche Mitarbeiter halfen, alles vorzubereiten: Anlagen wurden getestet, die Lieferketten organisiert, Mitarbeiter geschult. „Da kann man nicht einfach einen Schalter drücken, und alles läuft“, sagt Werkleiter Robert Engelhorn.

Heute sind schon rund 3500 Menschen im Werk, die im Corona-Modus viel Neues lernen müssen. Das beginnt daheim. Fast alle legen nun vor der Fahrt die einheitliche blaue Werksmontur an. „Umkleiden und Duschen sind für die Mitarbeiter reserviert, die sie wirklich dringend brauchen: Arbeiter in der Lackiererei oder andere, die mit Schleifarbeiten beschäftigt sind“, wie Robert Donharl sagt, der Gruppenleiter im Karosseriebau ist.

Die Werksbusse sind nur halbvoll, und es herrscht Maskenpflicht. Außerdem fahren mehr Busse als gewöhnlich. Und wer mit dem Auto kommt, findet am Olympiapark zusätzliche Parkplätze. Beim Schichtbeginn fährt die Produktion heute ausnahmsweise noch nicht an. Erst versammeln sich die Arbeiter – durch Bodenmarkierungen auf Distanz gehalten. Sie werden auf die neue Situation vorbereitet: Wo immer der Abstand nicht eingehalten werden kann, herrscht Maskenzwang, sagt Andreas Schendera. Etwa beim Einbau des Armaturenbretts, wo sich zwei Arbeiter links und rechts vom Auto gegenüberstehen. Für alle anderen gilt ein Maskengebot. Es ist nicht zwingend, wird aber den Mitarbeitern dringend ans Herz gelegt.

Immer wieder sieht man Plexiglasscheiben, die zusätzlich abschirmen, etwa bei der Türenmontage, wo Türen paarweise von gegenüberstehenden Monteuren für den Einbau vorbereitet werden. Phillip Helberg, der im Werk die Vormontage für die Türen leitet, entdeckt noch eine Lücke in der Abschirmung. „Aber auch die ist bis Montag geschlossen“, sagt er.

Plexiglas gehört für die BMW-Werker nun zum Alltag. In den Pausenzonen sitzen die Mitarbeiter durch dieses Virenschild vor Ansteckung geschützt. Wo bisher sechs Mitarbeiter an einem Tisch Platz fanden, stehen nur noch zwei Stühle.

Wann immer möglich, werden Pausen entzerrt, um mit dem beschränkten Platz auszukommen. Das gilt auch in der Kantine. Dort steht nur ein Bruchteil der bisher rund 600 Sitzplätze zur Verfügung. Doch immerhin ist bald wieder mehr erlaubt als Kantine „to go“. Auch die Öffnungszeiten wurden ausgeweitet. „Konversation ist wieder möglich“, sagt Engelhorn. „Der Menschen ist eben ein soziales Wesen.“

Viele versorgen sich ohnehin über die Shops in den Hallen mit Brotzeiten. Auch die sind so umgestaltet worden, wie man es von Supermärkten schon kennt. Und wo der Platz in den Pausen nicht reicht, stehen Bierbank-Garnituren bereit. „Auf der Theresienwiese werden sie ja nicht gebraucht“, sagt Donharl. Wiesn-Stimmung wird trotzdem kaum aufkommen. In der Autoproduktion gilt ein Alkoholverbot. Auch Desinfektionsmittel und Plakate stehen an allen Eingängen bereit. Dazu Plakate mit Anleitungen für Corona-gerechtes Verhalten.

Doch unsicher ist, ob sich mit der Rückkehr zur Routine die alten Verhaltensweisen im Umgang miteinander wieder einschleichen. Denn viele arbeiten schon seit vielen Jahren eng zusammen. Mitarbeiter in grünen Westen sollen bei der Umsetzung der Corona-Maßnahmen helfen, Grün ist im Werk die Signalfarbe für Gesundheit. Die Grünwesten sind besonders für den Umgang mit den Corona-Bedingungen geschult.

Und wie ist die Stimmung der BMW-Werker, wenn aus dem Ferien-Modus auf Arbeitsalltag umgeschaltet wird? „Ausgesprochen gut“ findet Andreas Schendera, der mit seinen Mitarbeitern auch in der unfreiwilligen Pause Kontakt hielt. „Alle freuen sich darauf, dass es wieder losgeht.“

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