Frankfurt – Lufthansa-Chef Carsten Spohr war ein großer Stein vom Herzen gefallen, genauso wie den 138 000 Beschäftigten. Die Aktionäre geben grünes Licht für das Rettungspaket des Bundes.
Trotzdem sind die Gesichtszüge des 53-jährigen Managers gestern Mittag in der Lufthansa-Zentrale am Frankfurter Flughafen angespannt, als er die Aktionäre zusammen mit Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley nachdrücklich auf der außerordentlichen Hauptversammlung für die Annahme der Staatshilfe beschwört: „Wir bitten um nichts weniger als Ihre Zustimmung zur Rettung der Lufthansa.“ Wieder können beide dies wie beim regulären Aktionärstreffen im Mai nur virtuell tun. Gleichzeitig müssen sie sich in Geduld üben: 600 Fragen haben Aktionäre eingereicht.
Corona ist das Stichwort für Kley und Spohr. 2017 bis 2019 seien die erfolgreichsten Jahre von Europas größter Fluggesellschaft gewesen. „Dann kam unverschuldet mit Corona das abrupte Ende“, sagt Spohr. Fast alle der 760 Flugzeuge mussten am Boden stehen bleiben, Über 100 000 Lufthanseaten ging mit einem Mal die Arbeit aus. Zwar läuft der Flugverkehr allmählich wieder an, aber das hilft nur begrenzt. „Wir haben kein Geld mehr“, räumt Kley ein. „Wir leben von den Reserven. Ohne die Hilfe des Staates droht in wenigen Tagen die Insolvenz.“ Nur mit den neun Milliarden Euro des Bundes gebe es ein Überleben. Spohr stellt er aber auch klar: Es geht nicht um Almosen, das Geld muss die Lufthansa an den Bund zurückzahlen – mit Zinsen.
Die EU-Kommission hatte die Staatshilfe endgültig genehmigt. Sie macht zur Auflage, dass die Lufthansa an den Flughäfen in Frankfurt und München insgesamt bis zu 24 Start- und Landerechte an Wettbewerber abtreten muss. Daneben hatte sich die Airline mit der Flugbegleitergewerkschaft Ufo auf Einsparungen im Volumen von einer halben Milliarde Euro geeinigt, was eine Senkung der Personalkosten um 17 Prozent entspricht. Im Gegenzug gibt es einen Kündigungsschutz bis Ende 2023. Auch in den Gesprächen mit der Pilotenvereinigung Cockpit kommt man nach Angaben von Spohr gut voran.
Enttäuschend verliefen dagegen die Verhandlungen mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi für das Bodenpersonal. Dort drohen Kündigungen. Offensichtlich stellen auch viele Lufthanseaten Fragen, die auch Aktionäre sind. Sie wollen wissen, was mit den Jobs passiert. Wird es Kündigungen geben? Spohr und auch Personalchef Michael Niggemann antworten offen: Auch wenn Kündigungen möglichst vermieden werden sollten, könnten sie keine Jobgarantie geben. Kein Wunder: Nach der Krise soll die Flotte um 100 Jets kleiner sein, was rechnerisch 22 000 Stellen kostet.
Der Bund wird mit einer Stillen Einlage in Höhe von 4,69 Milliarden Euro beteiligt. Sie kann bis Ende 2021 gezogen werden. Die Laufzeit ist unbefristet. Der Zins für die Einlage liegt 2020 und 2021 bei vier Prozent und steigt bis 2027 auf 9,5 Prozent. Eine zweite Stille Einlage soll eine Milliarde Euro betragen. Daneben wird die staatliche Förderbank KfW der Lufthansa einen Konsortialkredit im Volumen von drei Milliarden Euro gewähren. ROLF OBERTREIS