München – Es ist keine neue Erkenntnis, dass sich Deutschland in der Pandemie relativ gut schlägt. Warum das so ist, hat das Wissenschaftliche Institut der Privaten Krankenversicherer (WIP) in einer Studie untersucht. „Mit Sicherheit haben wir auch Glück gehabt“, sagt WIP-Projektleiterin Christine Arentz. So habe Deutschland nach dem Ausbruch in Italien früh reagieren können.
Deutschland profitiere aber vor allem von einem vergleichsweise guten Gesundheitssystem, politischen Entscheidungen und einer Bevölkerung, die bei Vorsichtsmaßnahmen mitziehe. Die früher oft geäußerte These, Deutschland spare sein Gesundheitssystem kaputt, könne man nach einem Ländervergleich in der Corona-Pandemie als widerlegt ansehen, findet der Geschäftsführer des PKV-Verbands, Timm Genett und verweist auf die Studie. Demnach steht Deutschland bei Akutbetten und noch mehr bei Intensivbetten in Krankenhäusern im Vergleich mit 14 EU-Staaten plus Großbritannien einsam an der Spitze vor Ländern wie Italien, Spanien, Großbritannien oder auch Schweden.
Auch bei Anzahl von Ärzten und Pflegepersonal rangiert Deutschland im Spitzenbereich. Allerdings sei die Arbeitsbelastung deutscher Ärzte und Pfleger im internationalen Vergleich sehr hoch, betont Arentz.
Auch die regionale Krisenbekämpfung vor Ort könne ein Vorteil gegenüber eher zentralistisch geprägten Ländern gewesen sein. Dadurch könne bei entsprechender Ausstattung schnell auf einzelne Ausbruchsherde re–agiert werden.
Von einer entscheidenden Bedeutung sei es gewesen, dass in Deutschland bereits im Februar verlässlich auf das Coronavirus getestet werden konnte und damit so früh wie sonst nirgendwo auf der Welt. Das habe verhindert, dass sich das Virus wie in Italien lange unentdeckt verbreiten konnte. Als Folge seien die Kapazitäten im heimischen Gesundheitswesen nie an Grenzen gestoßen, wie das in Italien, Spanien oder Frankreich zeitweise der Fall war. Das alles habe zu relativ wenigen Todesfällen durch das Virus geführt, obwohl die deutsche Bevölkerungsstruktur wegen des hohen Durchschnittsalters eigentlich besonders anfällig wäre. Der Schutz der älteren Generation könnte laut Studie durch Deutschlands Haushaltsstruktur ermöglicht worden sein. Die gefährdete ältere Bevölkerung lebe hier primär allein oder mit dem Ehepartner, ein generationenübergreifendes Zusammenleben, das in den südlichen Ländern eher verbreitet ist und damit eine innerfamiliäre Ansteckung der Älteren durch die Jüngeren begünstigt, sei daher in Deutschland nicht üblich.
Entscheidend sei auch gewesen, dass das Virus weitgehend aus Pflegeeinrichtungen herausgehalten werden konnte. In Ländern wie Belgien oder Frankreich gehe jeder zweite Corona-Todesfall auf Pflegeeinrichtungen zurück. Mit entscheidend sei auch, dass Deutschland dezentral und nicht in Krankenhäusern teste sowie Corona-Patienten vielfach ambulant behandle, betonen Arentz und WIF-Chef Frank Wild. In Frankreich werde dagegen zu über 80 Prozent in Krankenhäusern getestet, was das Virus dort oft eingeschleppt habe. „Wir sind aber noch nicht durch, man kann noch einiges falsch machen“, warnt Wild.
Das abflauende Infektionsgeschehen in Deutschland vermittle global gesehen ein falsches Bild. Mit 230 000 neuen Corona-Fällen weltweit binnen 24 Stunden wurden zuletzt neue Höchststände erreicht. Falls das in Form einer zweiten Infektionswelle auf Deutschland zurolle, biete die Bevölkerungsstruktur mit vielen Senioren, fettleibigen und vorerkrankten Menschen große Angriffsflächen, warnt auch Genett. Allerdings ist laut der Studie auch die Verteidigung gut ausgebaut: „Im Falle einer zweiten Welle dürfte das Gesundheitssystem gut gerüstet sein, da auch die bisherigen Schwachstellen, wie unzureichende Schutzkleidung, aktiv angegangen wurden.“