Wie Corona Währungen bewegt

von Redaktion

VON ROLF OBERTREIS

Frankfurt – Mitte März, als die Corona-Pandemie in Europa ihren Lauf nahm und das öffentliche und das Wirtschaftsleben mit Geschäfts- und Werksschließungen nahezu komplett zum Stillstand kam, zeigte sich einmal mehr: Der Dollar ist eine Krisenwährung. Anleger flüchteten in den Greenback, wie der Dollar auch genannt wird. Der Euro notierte nur noch bei knapp 1,07 Dollar.

Knapp fünf Monate später ist davon nichts mehr zu sehen: Der Euro hat gegenüber der US-Währung um gut zehn Prozent zugelegt und steht bei rund 1,18 Dollar. Volkswirte sagen einen weiteren Anstieg voraus. Ein zentraler Punkt: Die weiter dramatisch steigenden Infektionszahlen in den USA und ein erneut drohender Lockdown mit schwerwiegenden Folgen für die Wirtschaft. Das Corona-Krisen-Management in Europa läuft erheblich besser. Das treibt den Euro-Kurs.

Wem ein starker Euro hilft

Ein starker Euro hilft Autofahrern, weil er die Preise an den Zapfsäulen drückt. Öl wird wie andere Rohstoffe auch in Dollar gehandelt. Das kommt auch Unternehmen zugute. Günstiger werden zudem Reisen in die USA und andere Dollar-Länder, weil man sich für den Euro mehr leisten kann. Nur: Wer reist derzeit schon in die USA oder andere ferne Länder, wo in Dollar gerechnet wird?

Wer unter starkem Euro leidet

Vor allem exportorientierte Unternehmen trifft der starke Euro in der derzeitigen Krise allerdings erheblich. Produkte und Güter wie Maschinen aus der Eurozone werden in Dollar-Ländern deutlich teurer. Das drückt die ohnehin derzeit schwachen Ausfuhren und erschwert den Weg aus der Krise. Zumindest Großunternehmen und größere Mittelständler können gelassen bleiben, weil sie meist vor Ort in den USA produzieren und damit kein Währungsrisiko haben.

Euro-Stärke oder Dollar-Schwäche?

Experten sehen in der aktuellen Euro-Stärke in erster Linie aber eine Dollar-Schwäche. „Die offensichtliche Unfähigkeit der Supermacht, die Epidemie in den Griff zu bekommen, eine heftige Rezession und gesellschaftliche Spannungen nagen am Bild des starken Amerika“, sagt Börsen-Stratege Robert Halver von der Baader Bank. Dagegen scheinen die Europäer die Infektionszahlen trotz der jüngsten Zunahme weitgehend im Griff zu haben. Und sie haben sich unlängst auf ein gemeinsames Hilfspaket geeinigt.

„Die US-Präsidentschaftswahlen sind auch ein Unsicherheitsfaktor. Trumps jüngste Drohung, die Wahl zu verschieben, könnte ein politisches Chaos zur Folge haben“, betont Christian Apelt, Volkswirt bei der Landesbank Hessen-Thüringen.

Bei der Commerzbank verweist Währungsexpertin Thu Lan Nguyen zudem auf die „exzessiv inflationäre“ Geldpolitik der US-Notenbank Fed und das ausufernde Haushaltsdefizit in den USA. „Das amerikanische Haushaltsdefizit liegt in diesem Jahr auf jeden Fall bei mehr als 15 Prozent des Sozialprodukts“, glaubt Axel Angermann, Chef-Volkswirt der Feri-Investmentgruppe. Sogar von 20 Prozent ist die Rede. Das wiederum lasse den ohnehin schon gigantischen Schuldenberg der USA weiter wachsen. Deshalb und wegen der schlechten Wirtschaftslage wird die US-Notenbank die Zinsen auf lange Zeit niedrig halten, sind Ökonomen überzeugt. Der Zinsvorteil des Dollar gegenüber dem Euro ist damit weg. Schließlich wird der Greenback auch durch den ungelösten Handelsstreit zwischen den USA und China gedrückt. Und nicht zuletzt verweist der auf Rekordhöhen gestiegene Goldpreis auf die Schwäche des Dollar. Mit Blick auf Sicherheit in Corona-Zeiten heißt das für viele Anleger und Anlegerinnen: Lieber Gold als Dollar.

Das Ende als Weltleitwährung?

Mittlerweile sind bereits Stimmen zu vernehmen, die das Ende des Dollar als Weltleitwährung und Weltreservewährung Nummer eins kommen sehen. So weit ist es aber noch nicht. Als Reservewährung bleiben neben dem Dollar und – mit deutlichem Abstand – dem Euro kaum Alternativen. Das Volumen von Yen oder Franken ist zu klein, das britische Pfund ist durch den Brexit belastet. Der chinesische Renminbi, Währung der mittlerweile weltgrößten Volkswirtschaft, ist (noch) nicht frei handelbar. Nach Angaben der Europäischen Zentralbank (EZB) hatte der Euro bei den weltweiten von Banken, Zentralbanken und Unternehmen gehaltenen Reservewährungen 2019 einen Anteil von 20 Prozent. Er stand damit deutlich hinter dem Dollar mit 60 Prozent auf Platz zwei.

Im weltweiten Devisenhandel liegt der US-Dollar mit einem Anteil von rund 45 Prozent deutlich vor dem Euro mit rund 15 Prozent. An diesen Relationen wird sich so bald nur wenig ändern. Der Dollar bleibt also trotz allem mit Abstand die weltweit wichtigste Währung.

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