Frankfurt/München – Die Folgen der Corona-Pandemie treffen die Lufthansa noch heftiger, als Vorstandschef Carsten Spohr noch vor wenigen Wochen erwartet hatte. Vor allem Passagiere für Langstreckenflüge in die USA und nach Asien bleiben aus. Hatte Spohr noch im Mai mit einer Normalisierung des Luftverkehrs im Jahr 2023 gerechnet, wenn auch auf niedrigerem Niveau als 2019, erwartet er dies jetzt „frühestens 2024“ – aber auch nur dann, wenn es bis dahin einen Impfstoff gibt.
Damit sind Spohr zufolge betriebsbedingte Kündigungen in Deutschland praktisch nicht mehr zu vermeiden, es sei denn, es kommt zu Vereinbarungen mit der Pilotenvereinigung Cockpit (VC) und der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi für das Bodenpersonal.
Im ersten Halbjahr bescherte Corona der Airline einen Netto-Verlust von 3,6 Milliarden Euro nach einem Minus von nur 116 Millionen Euro in den ersten sechs Monaten 2019. Im zweiten Quartal summierte sich das Minus auf knapp 1,5 Milliarden Euro nach plus 226 Millionen Euro im Vorjahresquartal. „Das ist das schlechteste Ergebnis in der 65-jährigen Geschichte von Lufthansa“, sagte Spohr. Der Umsatz im zweiten Quartal war mit knapp 1,9 Milliarden Euro um 80 Prozent niedriger als im Vorjahr. „Unser Quartalsverlust entspricht mit einem Minus von 1,7 Milliarden Euro fast unserem Umsatz.“ Im ersten Halbjahr schrumpfte der Umsatz um 52 Prozent auf nur noch 8,33 Milliarden Euro. Allein das Frachtgeschäft konnte mit 277 Millionen Euro ein positives Betriebsergebnis einfliegen, was sogar Rekord bedeutet. Im Passagiergeschäft mit Lufthansa, Austrian, Swiss, Brussels und Eurowings summiert sich der Verlust auf 2,4 Milliarden Euro. Die Zahl der Passagiere brach um zwei Drittel auf 23,5 Millionen ein. Selbst die drastische Reduzierung der Kosten um fast 60 Prozent und die Halbierung der Investitionen konnten die Einbußen nicht auffangen. 65 Flugzeuge hat die Airline mittlerweile dauerhaft stillgelegt. 100 werden es bis 2024.
Mittlerweile hat Lufthansa die Zahl der Beschäftigten weltweit um 8300 – überwiegend im Ausland – auf knapp 129 400 Ende Juni reduziert. Bis 2024 müssen nach Angaben von Spohr 22 000 Stellen wegfallen, davon 11 000 in Deutschland. „Allein bei der Lufthansa Airline sind 800 von aktuell 5000 Piloten zu viel an Bord.“
Für 2600 Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter gäbe es keine Beschäftigung und für 1500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Boden. In der Zentrale sollen 1000 Stellen wegfallen, ebenso 20 Prozent der Führungskräfte. „Betriebsbedingte Kündigungen sind nicht zu vermeiden, jedenfalls nicht ohne Vereinbarungen mit den Gewerkschaften über eine andere Verteilung der Arbeit und über Gehaltseinbußen“, sagte Spohr. „Das aber erscheint mir derzeit nicht realistisch.“
Verärgert ist Spohr über den Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport. Obwohl die Gebühren am größten deutschen Airport schon vor der Krise um 15 Prozent über denen in München gelegen hätten, wolle sie Fraport weiter erhöhen. Der Münchner Flughafen signalisiere dagegen Entgegenkommen, in Zürich und Wien seien die Gebühren bereits gesenkt worden.
Nach Angaben von Spohr läuft es mit den Erstattungen für Passagiere, die wegen Flugausfällen nicht fliegen konnten, mittlerweile zügiger. Bislang habe man gut zwei Milliarden Euro zurückgezahlt, eine weitere knappe Milliarde werde bis Ende August erstattet. Allerdings kämen täglich Erstattungsanträge dazu, weil immer wieder Flüge gestrichen werden müssten.
Die Aussichten für das zweite Halbjahr bleiben trübe. „Wir erwarten auch dann ein deutlich negatives Betriebsergebnis und für das gesamte Jahr einen signifikanten Rückgang.“ Ende Juni verfügte die Airline über liquide Mittel von 2,8 Milliarden Euro. Allein im zweiten Quartal aber wurden 1,4 Milliarden Euro „verbrannt“. Auch in nächster Zeit werde man wohl mindestens 400 Millionen Euro pro Monat verlieren, es sei denn, die Reisebeschränkungen würden gelockert.