Ein Wirkstoff für Corona-Kranke

von Redaktion

FIRMENPORTRÄT – Eisbach Bio forscht an einem Medikament, das die Erreger im Körper angreift

VON THOMAS MAGENHEIM-HÖRMANN

München – An Corona-Medikamenten wird derzeit weltweit unter Hochdruck geforscht. 165 Impfstoff-Projekte hat die Weltgesundheitsorganisation bis Ende Juli gezählt. Seitdem sind sieben weitere Impfstoffkandidaten dazugekommen. „Es fallen mir aber weltweit keine fünf ein, die an einem neuen Wirkstoff für bereits Erkrankte forschen“, sagt Adrian Schomburg. Der 37-Jährige ist Mitgründer des Medizin-Start-ups Eisbach Bio aus Martinsried bei München. Es zählt zur raren Spezies derer, die an einem solchen Therapeutikum arbeiten.

Schomburg findet die Einseitigkeit fahrlässig. Was, wenn es länger dauert, bis ein wirksamer Impfstoff ohne größere Nebenwirkungen gefunden wird oder wenn das Virus so mutiert, dass der nicht mehr wirkt? Es gibt auch Viren wie HIV oder Krankheiten wie Hepatitis C, gegen die es nach Jahren der Forschung keinen Impfschutz gibt. Dann bräuchte man längerfristig einen Wirkstoff für Corona-Erkrankte.

Geht alles gut, hat Eisbach Bio den Mitte 2021 produktionsreif. Möglicherweise braucht man ihn dann nicht mehr, weil gute Impfstoffe zur Verfügung stehen. Auch bei der weiteren Entwicklung von Eisbach kann noch einiges schiefgehen. Schomburg ist Realist. „Die Chance liegt bei zehn bis 20 Prozent, dass es funktioniert“, schätzt er. Das entspricht einer Sechs beim Würfeln. Kommt die, sind die Marktchancen immens. „Das wäre Blockbuster-Potenzial“, sagt der Molekularbiologe.

Das hat auch ein Gönner des erst Anfang 2019 von Schomburg und dem Biochemiker Andreas Ladurner gegründeten Unternehmens erkannt. Eine einstellige Millionensumme habe der spontan für die Erforschung des Corona-Medikaments zur Verfügung und noch mehr in Aussicht gestellt, verrät Schomburg. Namentlich wolle der betuchte Spender nicht genannt werden.

Nach dem antiviralen Wirkstoff haben sich auch schon Regierungen erkundigt, sagt der Eisbach-Mitgründer. Weil die Forschung in Martinsried zudem weniger offene Begehrlichkeiten weckt, sei man jüngst auch von staatlichen Spezialisten für Cyberkriminialität in Gefahrenabwehr unterrichtet worden. Denn schon der technologische Ansatz von Eisbach Bio ist nach Ansicht seiner Gründer einzigartig.

Zum einen suchen die Martinsrieder gezielt nach einem Corona-Wirkstoff und probieren nicht nur nach dem Zufallsprinzip für andere Krankheiten zugelassene Medikamente aus. Remdesivir der US-Firma Gilead, eigentlich ein Ebola-Medikament, gilt in der Kategorie derzeit als das wirksamste, ist aber durch erhebliche Nebenwirkungen belastet. Eisbach Bio versucht dagegen, dem Coronavirus die Fähigkeit zur Ausbreitung zu nehmen, indem sie mit speziellen Molekülen ein Eiweiß angreifen und es lahmlegen, das der Erreger zur Reproduktion essenziell benötigt. „Wir kleben ein Schloss zu, mit dem das Coronavirus seine Erbinformationen in unseren Zellen öffnet und ablesbar macht“, veranschaulicht Schomburg die Wirkweise.

Dazu muss man wissen, dass Eisbach Bio gegründet wurde, um mit dieser Methode ein Mittel gegen Krebs zu finden. Dann kam Corona. „Ich habe mir am Rechner die Gensequenz des Virus angesehen und erkannt, dass da ein Eiweiß ist, das unserem Zielprotein bei Krebs ähnlich ist“, erzählt Schomburg. Insofern war auch Glück im Spiel. Dann kam der neue Investor mit den tiefen Taschen, das Team wurde flugs von zehn auf 15 Forscher aufgestockt und im Schichtmodell mit Mundschutz 24 Stunden rund um die Uhr gearbeitet.

Gemessen an den in der Branche üblichen Entwicklungszeiten kamen erste Erfolge sehr rasch. Einen Virus auf diese Art zu bekämpfen sei zudem grundsätzlich arm an Nebenwirkungen und relativ resistent gegen Mutationen, sagt Schomburg. Dazu kämen niedrige Kosten. Eine voraussichtlich ein- bis zweiwöchige Therapie würde deutlich unter 100 Euro kosten. Bei einem Impfstoff gegen das Virus seien dagegen Preise von 1000 Euro je Dosis im Gespräch.

Im Labor habe man das Virus bereits wirksam bekämpft, sagt Schomburg. Demnächst würden Tierversuche beginnen. Bis Ende des Jahres wisse man, ob die Nebenwirkungen im Rahmen bleiben, und könnte Anfang 2021 beginnen, den Wirkstoff an ersten Corona-Patienten zu erproben. Denn lax oder gar nicht testen wie derzeit offenbar in Russland der Fall, kommt für die Bayern nicht in Frage. Gleiches gilt für die Optionen, einen Staat bevorzugt zu beliefern oder die gesamte Forschung zu verkaufen. „Für kein Geld der Welt“ wollten er und Ladurner die Kontrolle über ihr junges Unternehmen aus der Hand geben.

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