Lieferkettengesetz: Woran es hakt

von Redaktion

Firmen sollen in Corona-Zeiten nicht zusätzlich belastet werden

Berlin – Das geplante Lieferkettengesetz ist umstritten. Deshalb wurde es jetzt kurzerhand von der Tagesordnung des Bundeskabinetts gestrichen. Das Gesetz soll festlegen, dass hiesige Firmen für Arbeitsbedingungen, Menschenrechte und Ökologie in ihren ausländischen Zulieferfabriken mitverantwortlich sind. Nach Unfällen wie dem Einsturz der Fabrik Rana Plaza in Bangladesch 2013 wollen Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) eine solche Regulierung einführen. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), einige Unternehmensverbände und deren Unterstützter bremsen das Vorhaben.

In den Verhandlungen geht es unter anderem darum, wie viele hiesige Firmen betroffen sein werden. Während Heil und Müller Unternehmen mit 500 Beschäftigten und mehr einbeziehen wollen, versucht das Wirtschaftsministerium, die Grenze bei 5000 Arbeitsplätzen zu ziehen. Im ersten Fall wären einige tausend Betriebe erfasst, im zweiten nur wenige hundert.

Außerdem will Altmaier die Haftung der Firmen weitgehend eliminieren. Ihn stört, was in den Eckpunkten für das Gesetz aus Arbeits- und Entwicklungsministerium steht. Dort heißt es, dass hiesige Unternehmen vor Gericht auf Schadensersatz verklagt werden könnten, wenn sie ihren Sorgfaltspflichten nicht „angemessen“ nachkämen und „vorhersehbare“ Risiken ignorierten. Konkret: Erfährt ein deutscher Textilhändler von der Baufälligkeit der Fabrik eines Hauptzulieferers in Pakistan, muss er einschreiten. Tut er es nicht, können potenzielle Unfallopfer auf Schadensersatz klagen.

Dies geht dem Wirtschaftsministerium offensichtlich zu weit. „Aus Sicht der Wirtschaft kommt es darauf an, dass mögliche Regelungen angemessen und in der Praxis auch durchführbar sind“, erklärte eine Sprecherin. Angesichts der Corona-Krise solle man die Firmen nicht zusätzlich unter Druck setzen.

In eine ähnliche Richtung argumentierte der Verband der Maschinenbauer (VDMA). Man könne unmöglich für tausende Vorprodukte genau kontrollieren, wie sie produziert worden seien. Das überfordere die Firmen. Eventuell müssten sie sich für Missstände vor Gericht verantworten, auf die sie kaum Einfluss hätten. Die Initiative Lieferkettengesetz, in der unter anderem kirchliche Hilfswerke, Gewerkschaften und Entwicklungsorganisationen mitwirken, unterstützt dagegen das Anliegen von Arbeits- und Entwicklungsministerium. Weniger als ein Fünftel „der befragten Unternehmen hält sich an Vorgaben der Bundesregierung zur Achtung der Menschenrechte. Im Koalitionsvertrag ist für diesen Fall festgehalten, dass eine gesetzliche Regelung folgt“, so Sprecherin Johanna Kusch.

Der nächste Termin für die Beratung im Kabinett ist nun der 9. September. Ein Kompromiss könnte darin bestehen, Übergangsfristen einzubauen und die Haftung nach und nach einzuführen.

HANNES KOCH

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