Banken unter Verdacht

von Redaktion

VON MARCUS ENGERT UND DANIEL DREPPER

Berlin – Internationale Großbanken, darunter auch deutsche Kreditinstitute, haben verdächtige Überweisungen im Wert von mehr als zwei Billionen Dollar bewegt, die sie teilweise gar nicht oder erst lange danach an die Behörden gemeldet haben. Das geht aus vertraulichen Unterlagen der US-Regierung hervor, die „BuzzFeed News“ für ein internationale Rechercheprojekt mit dem Journalisten-Netzwerk ICIJ geteilt hat. Die Unterlagen zeigen, wie Banken Profite mit Drogenhändlern, Mafiosi und korrupten Politikern machen. Und wie sie mit diesen Kunden auch dann noch Geld verdienen, wenn sie genau dafür zuvor schon bestraft worden waren.

Mehr als 400 Journalisten aus 88 Ländern haben 16 Monate lang zwei Billionen Dollar an verdächtigen Zahlungen aus den Jahren 2000 bis 2017 ausgewertet: Die „FinCEN Files“. Beteiligt war auch das Deutschland-Büro von „BuzzFeed News“, das zur Ippen-Gruppe gehört.

Im Zentrum der Recherchen stehen fünf der mächtigsten Banken der Welt: JPMorgan, HSBC, Standard Chartered Bank, die Bank of New York Mellon – und die Deutsche Bank. Alle Banken erklärten, man nehme Geldwäschebekämpfung sehr ernst, habe die internen Maßnahmen in den vergangenen Jahren stark ausgebaut, kooperiere mit den Behörden und halte sich an die geltenden Bestimmungen.

Doch dass all diese Bemühungen effektiv genug waren, daran gibt es nach Auswertung der FinCEN-Files deutliche Zweifel. Die Deutsche Bank hat nachweislich für anonyme Kunden der Danske Bank Estland – trotz Verdacht auf Geldwäsche – Transaktionen in Milliardenhöhe abgewickelt. Und sie hat 560 Millionen Dollar für eine lateinamerikanische Baufirma namens Odebrecht bewegt, der wenig später von US-Behörden der größte internationale Bestechungsskandal aller Zeiten vorgeworfen wurde.

JPMorgan, die größte Bank der USA, transportierte Geld für Unternehmen, die Verbindungen zum geflohenen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch haben. Genutzt wurde dafür unter anderem eine britische Briefkastenfirma. Diese gehörte wiederum zwei Briefkastenfirmen auf den Jungferninseln, denen wiederum zahlreiche andere Briefkastenfirmen gehörten. All das machte die Bank nicht misstrauisch: Die FinCEN-Files belegen, dass JPMorgan für diese Firmen mindestens 230 Millionen Dollar überwiesen hat. Erst später schrieb JPMorgan selbst Verdachtsberichte an die Behörden – die Gebühren für die enormen Überweisungen hatte die Bank da längst eingestrichen.

Standard Chartered, eine internationale Großbank aus Großbritannien, hat 2012 mehr als 250 Milliarden Dollar an geheimen Zahlungen für die iranische Regierung bewegt und dafür hunderte Millionen an Gebühren eingestrichen. Und sie wickelte für Kunden der Arab Bank Überweisungen ab, obwohl die Arab Bank ins Visier der US-Behörden geraten und weitgehend vom US-Finanzsystem abgeschnitten worden war.

Auch die HSBC profitierte von Kunden, deren Geld aus bedenklichen Quellen stammte, darunter die Firma World Capital Market. Tausende Menschen verloren insgesamt 80 Millionen Dollar in deren Schneeballsystem. Doch selbst, als in drei Ländern längst gegen die Firma ermittelt wurde und die US-Behörden per einstweiliger Verfügung Gelder einfroren, reagierte die HSBC nicht. Die FinCEN-Files zeigen: Die HSBC hat für die Betrüger auch dann noch Gelder transferiert, als längst alle Alarmglocken hätten schrillen müssen.

In den FinCEN-Files zeigen sich immer wieder die gleichen Muster. So wird Geld über Briefkastenfirmen verschoben, die in undurchsichtigen Steuerparadiesen angemeldet sind. Die Banken winken das Geld durch, obwohl zum Teil nicht einmal bekannt ist, wer hinter einem Konto steckt. Oft werden bedenkliche Kunden gehalten, die Banken verdienen an ihnen und melden sie dann mit langem Abstand irgendwann selbst den Behörden.

Zwei Millionen Verdachtsmeldungen gingen vergangenes Jahr in der US-Finanzaufsicht ein. Die Behörde hat knapp 300 Mitarbeiter. Wie effektiv wird der wichtigste Finanzplatz der Welt überhaupt überwacht? Diese und andere Fragen haben „BuzzFeed News“ und das ICIJ der FinCEN gestellt. Deren Antwort: Die Behörde verurteilte den Leak der Dokumente und verwies darauf, dass deren Veröffentlichung eine Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems sei. Fragen wollte die FinCEN nicht beantworten. Am vergangenen Mittwoch verkündete die Behörde jedoch, die Geldwäsche-Bekämpfung überarbeiten zu wollen.

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