Frankfurt – Die Vorwürfe sind besonders heikel, weil die Commerzbank seit der Finanzkrise im Jahr 2008 zu mehr als 15 Prozent dem deutschen Staat gehört. Und weil die Commerzbank schon im Jahr 2015 wegen ähnlicher Vergehen eine Milliardenstrafe an US-Behörden gezahlt hatte. Insgesamt hat BuzzFeed News Deutschland in dutzenden Dokumenten verdächtige Commerzbank-Überweisungen gefunden – im Gesamtwert von rund zwei Milliarden Euro.
Die Commerzbank schreibt auf Anfrage, die Vorwürfe seien bekannt „und beruhen vollumfänglich auf von der Commerzbank überwiegend im Zeitraum 2010 bis 2016 getätigten Meldungen an die zuständigen Behörden“. Seit 2015 habe die Commerzbank die Geldwäsche-Bekämpfung „gezielt verstärkt, mehr als 800 Millionen Euro investiert und die Zahl der Mitarbeiter deutlich erhöht.“ Zu konkreten Kundenbeziehungen wollte sich die Commerzbank nicht äußern.
„Die von Ihnen beschriebenen Vorgänge, die auf Meldungen der Bank beruhen, wurden mir von der Commerzbank bestätigt“, schreibt Jutta Dönges, die als Vertreterin des Bundes im Aufsichtsrat der Commerzbank sitzt. Dönges kündigt an, dass sich der Aufsichtsrat der Commerzbank als Reaktion auf die Recherchen von BuzzFeed News mit den Vorgängen befassen werde.
Am Sonntag hatte BuzzFeed News Deutschland, das wie der „Münchner Merkur“ zur Ippen-Gruppe gehört, gemeinsam mit dem ICIJ die FinCen-Files veröffentlicht. Mehr als 400 Journalisten aus 88 Ländern hatten dafür mehr als ein Jahr lang vertrauliche Verdachtsberichte der US-Finanzaufsicht ausgewertet, sogenannte Suspicious Activity Reports. Die FinCen-Files sind nur ein kleiner Ausschnitt aller angefertigten Verdachtsberichte. Die Summe verdächtiger Zahlungen dürfte deutlich höher sein. In den FinCen-Files melden Banken verdächtige Zahlungen, diese sind jedoch nicht automatisch Beweise für Gesetzesverstöße.
Ein Beispiel für einen Verdacht auf klassische Geldwäsche ist ein unscheinbares Haus in der 78 Montgomery Street im schottischen Edinburgh. Die Adresse war zentraler Bestandteil in vier der größten Skandale der vergangenen Jahre: Russische, aserbaidschanische und moldawische Eliten brachten Milliarden Euro illegal ins Ausland und nutzten dafür tausende Offshore-Firmen, viele davon registriert in der 78 Montgomery Street.
Eine vom moldawischen Parlament in Auftrag gegebene Untersuchung nannte im Mai 2015 fünf Firmen an dieser Adresse als der Geldwäsche verdächtig. Eine Bank, über deren Konten tausende Überweisungen an genau diese Adresse geschickt werden, sollte dementsprechend hellhörig werden. Doch bei der Commerzbank – bei der genau solche Überweisungen massenhaft aufliefen – passierte erst einmal nichts.
Erst neun Monate später schreibt ein Analyst der Commerzbank einen Verdachtsbericht. Der Inhalt ist explosiv: Von Ende Januar 2010 bis Ende November 2015 überwiesen Kunden der Commerzbank insgesamt 347 Millionen Dollar an 468 verschiedene Firmen, alle registriert an der 78 Montgomery Street. Das Geld verteilten die Kunden auf insgesamt 2712 Überweisungen.
Der Zeitraum ist brisant, denn die Überweisungen liefen noch acht Monate, nachdem die Commerzbank einen Deal mit der US-Regierung eingegangen war. Mehrere Jahre hatten US-Behörden zuvor gegen die Commerzbank ermittelt. Die Commerzbank hatte unter anderem hunderte Millionen Dollar iranisches und sudanesisches Geld in die USA gebracht – und damit Sanktionen umgangen. Im März 2015 zahlte die Commerzbank dann rund 1,5 Milliarden Dollar und verpflichtete sich, besser gegen Geldwäsche vorzugehen. Wie passt das mit den weiter laufenden Überweisungen an die 78 Montgomery Street zusammen? Die Commerzbank wollte sich zu konkreten Kunden nicht äußern.
Ein anderer Verdachtsbericht legt nahe, dass die Commerzbank indirekt auch dem Assad-Regime dabei geholfen haben könnte, Sanktionen zu umgehen. Einem Analysten der Commerzbank war aufgefallen, dass die russische Staatsbank SVIAZ auffällig viele Dollarnoten bei der Commerzbank gekauft hatte. Die SVIAZ-Bank werde beschuldigt, Russland-Sanktionen zu umgehen, schreibt der Analyst. Trotzdem verkauft die Commerzbank der Bank jahrelang Dollarnoten über fast 1,1 Milliarden Dollar. Der Analyst vermutet, die Commerzbank habe es Russland damit leichter gemacht, das Assad-Regime zu stützen. Als in der Commerzbank erstmals jemand die Verkäufe infrage stellt, ist es April 2013. Bis die Commerzbank das Banknotengeschäft mit der SVIAZ-Bank beendet, dauert es den FinCen-Files zufolge noch weitere fünf Monate.
Bank verstärkt Bekämpfung der Geldwäsche
Tausende Firmen
in 78 Montgomery Street, Edinburgh