Peking/München – Deutsche Autobauer müssen mehr tun, um bei der rasanten Entwicklung von Elektroautos mitzuhalten. In dem Boom auf dem „Leitmarkt“ in China fehlen ihnen die Produkte, auch könnte die Wende zur E-Mobilität in Deutschland schneller kommen als bisher erwartet. So sprachen sich der Chef des Umweltbundesamtes (UBA), Dirk Messner, und auch CSU-Chef Markus Söder für ein Zulassungsverbot für Autos mit Verbrennungsmotoren wie in Kalifornien ab 2035 aus.
Dass der Wandel in vollem Gange ist, zeigte sich am Wochenende auf der „Auto China 2020“ in Peking, der ersten großen internationalen Automesse seit Ausbruch der Corona-Pandemie. Elektroautos waren die Stars der Messe in China, das das Virus weitgehend im Griff hat und mit seiner wirtschaftlichen Erholung zum „Rettungsanker“ für die Autobauer geworden ist. In fünf Jahren soll in China ein Viertel der verkauften Autos elektrisch fahren – vier Millionen Stück im Jahr.
Auch in Deutschland wird der Ruf nach einer Wende immer lauter. „Kalifornien hat es vorgemacht“, sagte UBA-Chef Messner. „Ein Verbot von Neuzulassungen für Diesel und Benziner ab 2035 halte ich für eine gute Idee.“ Ähnlich äußerte sich CSU-Chef Markus Söder und nannte 2035 ein „sehr gutes Datum“, um wie in Kalifornien nur noch emissionsfreie Autos zuzulassen.
Doch wo stehen die deutschen Autobauer? Auf dem größten Markt für E-Fahrzeuge der Welt in China können sie bisher nicht wirklich mithalten, bemängelten Kritiker auf der Automesse in Peking. „Was Elektromobilität angeht, muss man sagen, fahren sie fast gar nicht mit“, sagte der deutsche Unternehmensberater Peter Hage von der Districom Group. Insgesamt hätten deutsche Hersteller in China „bisher sehr wenige Modelle wirklich im Vertrieb“.
Dabei genössen sie in China hohes Ansehen. „Sie könnten mit ihrer Marke viel stärker ins Geschäft kommen, haben bisher aber nicht die Produkte“, sagte der Berater, der seit 16 Jahren in der Autoindustrie in China tätig ist. „Je länger diese Situation vorhält, umso stärker ist es möglich für andere Anbieter, besonders Tesla, dieses Feld zu besetzen“, sagte Hage. „Das Fenster wird immer kleiner.“
„Der Leitmarkt der Elektromobilität ist China – und zwar mit deutlichem Abstand“, sagte auch der Experte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM). „Man muss sehr aufpassen, da nicht abgehängt zu werden.“ Chinas Regierung tue viel. Es gebe Anreize für Käufer. Viele Metropolen beschränkten Benziner. Ladestationen würden ausgebaut. Chinesen seien offener für technische Innovationen. „Schon allein wegen China mussten deutsche Autobauer die E-Mobilität viel höher auf ihre Agenda setzen, weil der Druck enorm stark ist.“
BMW-China-Chef Jochen Goller empfindet die Kritik als „zu harsch“. Auf die warnenden Stimmen, dass die richtigen Produkte fehlten, sagte der Manager gleichwohl: „Bis heute mögen sie vielleicht recht gehabt haben.“ Doch habe sich die Nachfrage erst entwickelt. „Zum ersten Mal sehen wir, dass es einen Markt gibt“, sagte Goller. BMW biete deswegen jetzt auch jedes seiner neuen Modelle nicht nur als Benziner, sondern auch elektrisch an. Diese Woche startet in China die Produktion des elektrischen Stadtgeländewagens iX3, den BMW wie auch das Konzeptauto i4 auf der Messe erstmals präsentierte.
Da China das Virus mit strengen Maßnahmen unter Kontrolle gebracht hat und kaum noch lokale Infektionen zählt, konnte die im Frühjahr verschobene Messe nachgeholt werden. In den Hallen drängten sich die Besucher, obwohl die Veranstalter dazu aufforderten, einen Meter Abstand zu halten. Auch galt Maskenpflicht. Da China aus Angst vor einer Einschleppung des Virus die Einreise streng begrenzt und 14 Tage Quarantäne verlangt, fehlten die Chefs der Autokonzerne und andere internationale Besucher.