Streit um Kahlschlag bei MAN eskaliert

von Redaktion

VON THOMAS MAGENHEIM-HÖRMANN

München – Der Betriebsfrieden ist in mitbestimmten deutschen Unternehmen ein hohes Gut. Bei Kostendruck und Sparzwängen war es bislang vor allem beim Dax-Konzern Volkswagen üblich, mit Betriebsräten und IG Metall auf Augenhöhe zu verhandeln, um offene Auseinandersetzung zu vermeiden.

Im Fall der VW-Tochter MAN steuert aber nun alles auf einen eskalierenden Konflikt zu. Gesamtbetriebsratschef Saki Stimoniaris spricht von einem Kulturbruch. Zusammen mit der IG Metall hat er angekündigt, gegen MAN-Vorstand und Konzern juristische Schritte einzuleiten, was im VW-Reich zumindest eine Rarität darstellt.

Auslöser des Konflikts ist eine gestern veröffentlichte Ankündigung von MAN, einen bis 2030 laufenden Beschäftigungssicherungsvertrag mit Job- und Standortgarantien zum 30. September zu kündigen. Entlassungen wären dann ab dem neuen Jahr möglich. Zugleich stellt die MAN-Führung unter Vorstandschef Andreas Tostmann in Aussicht, die Betriebsvereinbarung ganz oder teilweise wieder in Kraft zu setzen, falls sich Personalvertreter und Management auf die angestrebten Sparmaßnahmen einigen. Die sehen vor, dass vor allem in Deutschland 9500 von 36 000 Stellen gestrichen werden, wobei viele Jobs ins kostengünstige Ausland verlagert werden sollen. Standorte wie das Münchner Hauptwerk oder auch Salzgitter würden so im Werksverbund degradiert, Auslandsfabriken wie im türkischen Ankara oder polnischen Krakau massiv aufgewertet.

Aus wirtschaftlichen Gründen sehe sich das Unternehmen gezwungen, die Betriebsvereinbarung zu kündigen, erklären die MAN-Manager. Damit gemeint ist nicht in erster Linie die Corona-Krise. Schon vorher wollte MAN im großen Stil Kosten sparen und Jobs abbauen, weil man im Verbund der VW-Lastwagenholding Traton beim Geldverdienen hinter dem Schwesterkonzern Scania aus Schweden hinterherhinkt. Aktuell schreibt MAN sogar rote Zahlen, während Scania immer noch profitabel ist.

Die Kündigung der Betriebsvereinbarung, die die Tür zu betriebsbedingten Kündigungen öffnet, wird von Betriebsrat und IG Metall aber als Kriegserklärung gewertet. „Das ist ein Fehler“, sagt Stimoniaris. Wer einen Vertrag zehn Jahre vor Ablauf kündigt, ohne Alternativen ausgelotet zu haben, solle sich genau überlegen, was er damit auslöst, warnt der Betriebsratschef. Seit Anfang 2020 stünden Betriebsrat und IG Metall für Gespräche bereit. „Wir suchen Konsens am Verhandlungstisch und nicht die Eskalation“, stellte der Betriebsrat klar. Die Kündigung der Betriebsvereinbarung werde man aber nun juristisch prüfen lassen. „Gerade in schlechten Zeiten müssen solche Vereinbarungen halten“, betonte er.

Ob die von Tostmann angepeilten Gespräche nun wirklich in Kürze beginnen, wie MAN es erwartet, ist damit ungewiss. Rechtliche Prüfung dauert eine Zeit und mit dem Messer an der Kehle dürften IG Metall und Betriebsrat nicht sonderlich gesprächsbereit sein. Bislang stellt MAN nur in Aussicht, die Radikalsanierung des Konzerns so sozialverträglich wie möglich zu gestalten. Von einem Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen ist nicht die Rede. Würde man darauf verzichten wollen, müsste die Betriebsvereinbarung auch nicht gekündigt werden. Tostmann beruft sich dabei auf eine sogenannte „Schlechtwetterklausel“ für wirtschaftlich besonders schwierige Lagen, die einen solchen Schritt erlaubt. Allein das Münchner MAN-Stammwerk soll nach inzwischen durchgesickerten Detailplänen 3000 Jobs verlieren, was jeder dritte Arbeitsplatz wäre.

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