Frankfurt – Viele Unternehmen könnten Opfer der Corona-Krise werden. Was bedeutet das für die Geldhäuser? Rutschen sie in Probleme, droht eine neue Finanzkrise? Ökonomen und Experten sind zuversichtlich, dass das nicht passiert. Selbst die in der Regel vorsichtige Bundesbank gibt sich vergleichsweise gelassen. Aufgrund der Reformen nach der Finanzkrise 2008/2009 sei der Finanzsektor widerstandsfähiger, sagt Vizepräsidentin Claudia Buch. Trotzdem müsse man sich auf zunehmende Solvenzprobleme vorbereiten.
Eine wichtige Größe für Geldhäuser sind die Unternehmenspleiten. Derzeit sind die Zahlen verzerrt, weil die Insolvenzantragspflicht seit März ausgesetzt ist und bis Jahresende eingeschränkt gilt. Die Folge: Mit knapp 12 200 gab es bis Ende September nach Angaben der Wirtschaftsauskunftei Crifbürgel 15 Prozent weniger Pleiten als im Vorjahreszeitraum.
Das wird sich, sagt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer, nicht dramatisch ändern. Er sieht keinen „Pleite-Tsunami“, die guten Bilanzen der Unternehmen und die seit der Jahrtausendwende deutlich verbesserten Eigenkapitalquoten der Institute von im Schnitt 22 auf 31 Prozent sprächen dagegen. Dazu passt, dass nur im geringen Maße Corona-Kredite der Förderbank KfW tatsächlich gezogen wurden: Bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) nur 40, bei der Deutschen Bank weniger als 50 Prozent, bei der DZ Bank und BayernLB nur je ein Drittel. Etliche Unternehmen stornieren bereits wieder KfW-Corona-Kredite.
Falko Fecht, Banken-Professor an der Frankfurt School of Finance, ist trotzdem vorsichtig. „Es gibt gute Gründe dafür, dass es zu einer Pleitewelle kommen wird.“ Nach Angaben der Kreditauskunftei Creditreform gibt es in Europa derzeit mehr als 330 000 Zombie-Firmen, bald seien es mehr als eine halbe Million. Firmen also, die wirtschaftlich keine Überlebensperspektive haben – bei sehr vielen gilt das auch ohne Pandemie.
Zudem steigt die Zahl der notleidenden und faulen Kredite – die nicht bedient werden und auszufallen drohen – in Europa wieder an. Der Finanzagentur Bloomberg zufolge waren es Ende Juni bei den 36 größten europäischen Banken 317 Milliarden Euro. 2009 in der Finanzkrise waren es 444 Milliarden, dann stiegen sie bis 2015 auf mehr als eine Billion. Seitdem konnte das Volumen drastisch zurückgefahren werden. Corona könnte das wieder deutlich ändern.
Die Banken jedenfalls bereiten sich vor. Die DZ Bank hat ihre Vorsorge für wackelige Kredite im ersten Halbjahr auf mehr als eine halbe Milliarde Euro verfünffacht, die Commerzbank auf knapp 800 Millionen verdreifacht. Sie erwartet bis Jahresende einen weiteren Anstieg auf 1,3 bis 1,5 Milliarden Euro. Die Deutsche Bank hat von 300 auf 1,3 Milliarden Euro aufgestockt. Das gilt auch für die LBBW.
Nach Angaben der Europäischen Zentralbank (EZB) haben Institute in Euroland die Risikovorsorge von 25 Milliarden Ende März im zweiten Quartal auf 45 Milliarden Euro hochgefahren. Deutsche und Commerzbank haben im ersten Halbjahr 120 und 100 Millionen Euro Verlust eingefahren. Der Chef der EZB-Bankenaufsicht, Andrea Enria, drängt Kreditinstitute, ihre Bilanzen nach faulen Krediten zu durchforsten. „Die Banken sollten einen ehrlichen Blick in ihre Kreditbücher werfen und prüfen, welche ihrer Kunden die Krise wirklich überstehen werden“, sagte Enria dem „Handelsblatt“. „Die Institute müssen jetzt damit beginnen, damit die Welle an faulen Krediten gar nicht erst zu groß wird.“
Trotzdem gilt die Lage nicht als kritisch. Die Großbanken könnten einen deutlichen Anstieg der Pleiten und damit Zahlungsausfälle stemmen. Als kritischer gilt vielen eher die Lage von Sparkassen und Volksbanken. So sieht das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH) vor allem kleinere Institute in den nächsten Jahren gefährdet. Insolvenzen gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen könnten Sparkassen und Volksbanken stärker treffen. „Bei ihnen gibt es keinen Ausgleich etwa über den Wertpapier- und Devisenhandel. Sie leiden zudem massiv unter dem Niedrigzinsumfeld“, sagt Fecht. Der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken BVR weist solche Einschätzungen zurück. Auch beim Sparkassen-Verband DSGV winkt man ab.
330 000 Zombie-Firmen in Europa