Braucht es grüne Finanzierungsregeln?

von Redaktion

VON THOMAS MAGENHEIM-HÖRMANN

München – Die Finanzinstrumente für grünes Wirtschaften liegen auf dem Tisch. Kredite vergünstigt nach Nachhaltigkeitskriterien vergeben und Anlagegelder gezielt in grüne Investitionen lenken – das sind die Stellschrauben, an denen die Europäische Union (EU) künftig drehen will. Dazu werden derzeit Regeln geschaffen.

Das Münchner Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung hat untersucht, wie sinnvoll das ist. Ergebnis: Aktive Lenkung der Finanzströme ist eigentlich überflüssig, denn die Rentabilität nachhaltiger Anlagen übersteige in aller Regel jene nicht-nachhaltiger Anlagen. Wer nach Rendite strebt, investiere rational gesehen ohnehin grün. „Wir bekommen nicht mehr Klimaschutz, sondern nur mehr Kosten“, warnt Ifo-Chef Clemens Fuest.

Klimaziele müssten mit Umweltpolitik wie Bepreisung von Kohlendioxid (CO2) erreicht werden. Die Regulierung der Finanzmärkte wiederum müsse allein deren Stabilität verpflichtet bleiben, sonst schaffe man Zielkonflikte, argumentiert der Ökonom und warnt vor kontraproduktiven Effekten. „Wir können auch eine Blase und einen Crash bekommen“, fürchtet Fuest im Fall einer übermäßigen Stimulierung grüner Anlagen.

Falls die Verbrauchernachfrage danach förderbedingt deutlich schneller steigt als das Angebot grüner Finanzierungsprojekte, würden auch weniger rentable oder unrentable Projekte finanziert, die floppen und Anlegerfrust erzeugen. Die Folge wäre ein Reputationsverlust für grüne Anlagen und damit das Gegenteil des Beabsichtigten.

Verfechter grüner Finanzmarktregeln wie EU-Parlamentarier Sven Giegold von den Grünen oder Staatssekretär Jörg Kukies vom SPD-geführten Bundesfinanzministerium sehen das anders. Beide betonen, weder Banken noch Versicherer oder produzierende Unternehmen durch die neuen Regeln gängeln oder überfordern zu wollen. Grüne Anlagesiegel mit dahinter stehenden klaren Kriterien seien aber nötig, damit Privatanleger auch darauf vertrauen könnten, grün zu investieren.

„Wir wollen eine Kapitalmarktunion in Europa und brauchen dazu gemeinsame Definitionen, wie die EU sie schon bei ökologischer Landwirtschaft geschaffen hat“, sagt Giegold. „Die EU muss sagen, was grün und nachhaltig ist“, assistiert Kukies. Auch die Finanz- und Realwirtschaft verlange danach, um das eigene Verhalten daran ausrichten zu können.

Mit Mittelständlern wie dem Münchner Familienunternehmer Hubert Winklhofer hat die große Politik dabei aber offenbar nicht gesprochen. Er führt den Kfz-Zulieferer Iwis und fürchtet nicht nur ein neues Bürokratiemonster aus Brüssel auf damit überforderte kleinere und mittlere Firmen wie die seine zukommen. „Schon jetzt fragen uns Banken und Versicherer, was wir tun, um grün zu sein und CO2 zu senken“, erzählt der Unternehmer aus der Praxis und sieht sich bei den Antworten und damit verknüpften Dokumentationspflichten überfordert. Damit stehe er nicht allein. Eine Angst vor steigenden Kreditkosten und sogar der Versicherbarkeit gehe im Mittelstand um.

In puncto Risiko gebe es keinen Grund, zum Beispiel Kreditkonditionen an Nachhaltigkeit zu knüpfen, unterstützt ihn Fuest. Ifo habe in der aktuellen Studie keinen Beleg dafür gefunden, dass nachhaltige Kredite eine geringere Ausfallwahrscheinlichkeit haben. Zudem machten Kapitalströme nicht vor EU-Grenzen halt.

Noch sind die grünen EU-Finanzmarktregeln nicht in allen Details fertig. Das dauert noch bis Anfang 2021, schätzt Giegold. Juristisch einsetzbar würden sie dann Ende kommenden Jahres, begleitet von einem Verbraucherlabel für grüne Anlagen. Er und Kukies versprechen, die Einwände ernst zu nehmen und speziell Mittelständler nicht zu überfordern. Fuest und Winklhofer bleiben skeptisch. „Wir haben es hier mit unglaublicher Komplexität zu tun, man verspricht zu viel“, fürchtet der Ifo-Chef. Denn dass die neuen Regeln für eine grüne Finanzwirtschaft kommen, bezweifelt keiner.

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