„China zieht den Karren“

von Redaktion

VON SEBASTIAN HÖLZLE

München – Dreimal im Jahr befragen die bayerischen Industrie- und Handelskammern rund 4000 Unternehmen im Freistaat nach ihrer Geschäftslage und ihren Erwartungen. Und selten waren die Ergebnisse derart mit Spannung erwartet worden wie in diesem Herbst. Denn aus den Daten lässt sich herauslesen, wie schwer die Corona-Krise die Wirtschaft im Freistaat getroffen hat.

Die gute Nachricht: Das Ergebnis der jüngsten Befragung legt nahe, dass das Schlimmste vorbei ist. „Die bayerischen Unternehmen haben den Corona-Schock des Frühjahrs überwunden“, sagte Manfred Gößl, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages (BIHK), gestern in München. In Zahlen ausgedrückt: Seit Mai ist der BIHK-Konjunkturindex von seinem Tief bei 81 Zählern wieder auf 107 Punkte nach oben geschnellt und liegt damit aktuell nur knapp unter dem langjährigen Durchschnitt. „Etwa 70 Prozent des Absturzes sind wieder aufgeholt worden“, sagte Gößl. Die bayerische Wirtschaft habe sich schneller als erwartet vom Corona-Schock erholt. Mehr als zwei Drittel des Wegs zurück zum Vorkrisenniveau seien zurückgelegt.

Die weniger gute Nachricht: „Die Dynamik der Erholung lässt in den kommenden Monaten deutlich nach“, sagte Gößl. Mit einer vollständigen Rückkehr auf das Vor-Corona-Niveau sei frühestens im Jahr 2022 zu rechnen.

Und noch etwas trübt die Stimmung: Je nach Branche verläuft die Erholung unterschiedlich. Wie die Daten belegen, kommen die Industrie, der Dienstleistungssektor und selbst der Handel recht schnell aus der Krise. Auch die Baubranche erholt sich, hier war der Absturz im Frühjahr ohnehin nicht ganz so tief. Anders sieht es im Tourismus aus: Die Betriebe erholen sich nur sehr langsam.

Für einzelne Unternehmen mag die Situation dramatisch bleiben, im Großen und Ganzen ist in Bayern aber ein Aufwärtstrend zu beobachten. Daran würden auch lokale Lockdowns wie aktuell im Berchtesgadener Land nichts ändern, ist sich Gößl sicher. Er rechnet daher auch nicht mit einem „Pleite-Tsunami“. 2019 habe es 2600 Insolvenzen in Bayern gegeben, 2021 sei mit maximal 3000 Pleiten zu rechnen. „Das ist keine Welle“, betonte Gößl.

Dass die bayerische Wirtschaft gute Chancen hat, halbwegs glimpflich durch die Pandemie zu kommen, ist nach Aussagen des BIHK-Chefs nicht nur staatlichen Hilfspaketen geschuldet. Offenbar profitiert Bayern erheblich davon, dass China die Krise überraschend schnell hinter sich gelassen hat. „China ist im Moment lebensnotwendig für die bayerische Industrie“, sagte Gößl und wies auf die Bedeutung Chinas für Autobauer wie BMW oder Audi hin. „China zieht aktuell den Karren.“

Das verschiebt die weltweiten Gewichte. „Wir erwarten, dass China im Jahr 2021 erstmals in der Geschichte unseres Landes der wichtigste Exportpartner sein wird, noch vor den USA“, sagte Gößl. Rechnet man Exporte und Importe zusammen, könnte China schon in diesem Jahr zu Bayerns wichtigstem Handelspartner aufsteigen.

Das ist gleichzeitig ein Risiko. Beschleunigt die Pandemie die weltweiten Abschottungstendenzen, wird die Abhängigkeit des Freistaats vom Außenhandel zum Problem. Bayern sei nach dem Zweiten Weltkrieg der große Globalisierungsgewinner gewesen, sagte Gößl. „Machen wird uns nichts vor, wenn sich die Welt abschottet, werden wir die großen Verlieren sein“, warnte er.

Artikel 2 von 3