Frankfurt – Die zweite Corona-Welle und verschärfte Beschränkungen gefährden nach Einschätzung von Volkswirten den Aufschwung in Deutschland. „Die Wirtschaft lässt sich nicht wie eine Lampe ein- und abschalten, ohne dass es zu Schäden kommt“, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer am Mittwoch. Nach seiner Einschätzung dürfte das Wirtschaftswachstum im vierten Quartal zum Erliegen kommen. Es steige das Risiko einer zweiten Rezession in Deutschland deutlich. Bestenfalls sei mit einer schwarzen Null gegenüber dem Vorquartal zu rechnen.
„Der Aufschwung wird sehr wahrscheinlich deutlich ausgebremst werden“, sagte auch der Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claus Michelsen. Das Pandemiegeschehen nehme Verbrauchern und Unternehmen die Zuversicht. Viele Unternehmen hätten noch mit den Folgen des Lockdowns vom Frühjahr kämpfen und kaum noch finanzielle Reserven.
Nach Einschätzung des DIW ist die deutsche Wirtschaft im abgelaufenen dritten Quartal noch kräftig um etwa sechs Prozent zum Vorquartal gewachsen. Die deutschen Unternehmen selbst rechnen in der Corona-Pandemie mit einem zunehmend beschwerlichen Rückweg in die wirtschaftliche Normalität.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder hatten sich gestern bei einer Videokonferenz auf scharfe Restriktionen im Kampf gegen die Corona-Pandemie geeinigt, die bereits ab dem kommenden Montag gelten und bis Ende November dauern sollen.
Auch der Euro litt unter der Einwicklung und den Maßnahmen, während als sicher geltende Währungen wie der Dollar und der Yen profitierten. Die Zuspitzung der Lage erhöht den Druck auf die EZB, ihre Geldpolitik weiter zu lockern. Experten erwarten auf der heutigen Sitzung zwar noch keine neuen Schritte. EZB-Chefin Christine Lagarde dürfte jedoch die Bereitschaft für eine Ausweitung des in der Krise aufgelegten Anleihekaufprogramms PEPP signalisieren. Eine lockere Geldpolitik belastet tendenziell eine Währung.
Am gestrigen Börsentag war in Frankfurt extreme Nervosität und Sorge um die die Wirtschaftsentwicklung zu spüren. Am Nachmittag rutschte der Deutsche Aktienindex Dax um über fünf Prozent ab und erholte sich bis Handelsschluss nur wenig. Schon zu Beginn des Handels wurde die psychologisch wichtige Marke von 12 000 Punkten gerissen. Am Ende stand der Dax bei 11 560,51 Punkten und damit 4,17 Prozent im Minus. Unter den Einzelwerten gab es nur einen Gewinner im Dax, das war Delivery Hero nach der Bilanzvorlage mit plus 1,67 Prozent auf nun 97,32 Euro. Alle anderen Werte kamen mehr oder weniger unter die Räder – von Adidas (minus 5,83 Prozent) über BASF (minus 6,73), BMW (minus 5,55), Deutsche Bank (minus 1,91), Infineon (minus 7,61), SAP (minus 4,86) bis zu Vonovia (minus 2,97 Prozent). mm, dpa