München – Die Corona-Einschränkungen sollen diesmal die Wirtschaft weniger treffen als beim ersten Lockdown. Großzügige Entschädigungen für Gastronomen, denen der Betrieb praktisch eingestellt wurde, sollen die erzwungenen Einbußen möglichst ausgleichen. Doch nun melden sich immer mehr Branchen zu Wort, für die Gastronomie und Tourismus überlebenswichtig sind. Keiner hatte sie im Blick. Dennoch sind sie in ihrer Existenz bedroht,
Ein Beispiel: Taxifahrer. Ihr Betrieb wurde nicht untersagt. Im Gegenteil. Sie haben Betriebspflicht, müssen also ihre Dienste anbieten. Doch da läuft nichts. Gaststätten geschlossen, Hotels bestenfalls im Notbetrieb, kein Kino, kein Theater, keine Messen, kein Tourismus – also fast keine Fahrgäste. Auch in Einkaufsstraßen sind weniger Menschen unterwegs.
Viele betroffene Taxi-Unternehmen berichten von Einnahmen zwischen 20 und 50 Euro in einer Zwölf-Stunden-Schicht. Das deckt weder den Mindestlohn für die Fahrer, noch die Fixkosten. 20 Euro in der Stunde wären nötig, um über die Runden zu kommen, sagt Thomas Kroker, Vorstand der Taxi-München eG. Oft warten Fahrer drei oder mehr Stunden auf den nächsten Fahrgast, während sich in Bussen und Bahnen seuchenfördernd die Passagiere drängeln. Dabei sind in fast allen Taxis schützende Plexiglasscheiben eingebaut. Die Fahrer tragen Maske.
Doch alle Hygiene-Maßnahmen laufen mangels Kundschaft ins Leere. Am Flughafen übernachten Fahrer sogar – in der Hoffnung, dass am nächsten Tag ein Fahrgast ankommt. Gemeinsam mit den Kollegen unter anderem von Isar Funk hat Taxi-München nun einen Notruf an die Politik gestartet. In Schreiben an Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) und Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU) fordern sie, an den Hilfen beteiligt zu werden.
Außerdem liefern die Taxi-Unternehmer Ideen, die helfen könnten, die Lage zu entspannen. Sie schlagen vor, „mindestens für den Monat November Beförderung zum halben Preis für Inhaber von ÖPNV-Zeitkarten zu ermöglichen“. Außerdem wünschen sie zu Weihnachten vom Staat ausgegebene Taxi-Gutscheine für Menschen, die über 65 Jahre alt sind.
Für die meisten der 1320 Münchner Taxi-Unternehmen ist die gegenwärtige Situation mit horrenden Verlusten nicht lange durchzuhalten. Und für viele steht am Ende der gegenwärtigen Einbrüche die Insolvenz. „Wir werden noch böse Überraschungen erleben“, warnt Kroker.
Doch die Taxifahrer sind nicht die einzigen vergessenen Lockdown-Opfer. In Folge der Gastronomie-Schließungen ist auch der Umsatz der meisten Brauereien dramatisch eingebrochen. Einige in der Branche können die Ausfälle zum Teil über das Handelsgeschäft ausgleichen. Für die meisten trifft das „nicht ansatzweise“ zu, wie Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bunds, sagt: „Für den Großteil der überwiegend familiengeführten und mittelständischen Brauereien in Deutschland ist die Situation mittlerweile dramatisch, wenn nicht existenzbedrohend.“ Auch Brauereien bräuchten dringend Hilfe „und eine Perspektive für die Zukunft“.
Die Einbrüche in der Bier-Lieferkette reichen aber noch weiter: Deutschland hat nicht nur eine besonders vielfältige Brauereiwirtschaft. Die entsprechenden Unternehmen sind auch führend bei der Ausstattung von Brauereien weltweit, eine Vorzeigebranche. Gestern sollte in Nürnberg die BrauBeviale 2020 starten, die weltweit wichtigste Investitionsgütermesse für die Getränkebranche. Doch in Nürnberg treffen diesmal nicht Menschen aufeinander. Die Messe wurde auf ein virtuelles Format eingedampft. Eine Branche, in der Deutschland weltweit führend ist, hat damit ihr wichtigstes Schaufenster fürs Erste verloren. Auch so können Kunden langfristig wegbleiben. Möglicherweise findet man in Brauereien in Melbourne, Rio oder Toronto künftig weniger Maschinen „made in Germany“.
Auch die Bäckereien fordern, bei den Novemberhilfen beteiligt zu werden, denn ihre Cafés wurden wie Gaststätten geschlossen, sollen aber leer ausgehen. Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks empfiehlt betroffenen Unternehmen, dagegen zu klagen.