Siemens sieht sich als Krisengewinner

von Redaktion

VON SEBASTIAN HÖLZLE

München – Was Siemens-Chef Joe Kaeser gestern in München präsentierte, war nicht nur die Jahresbilanz eines Dax-Konzerns. Es war auch eine erste Bilanz über seinen eingeschlagenen Kurs, an dessen Ende neben der Siemens AG zwei weitere Technologie-Konzerne existieren – ein in der 173-jährigen Geschichte des Unternehmens einmaliger Umbau.

„Ziel war es, den einzelnen Geschäften deutlich mehr unternehmerische Eigenständigkeit unter der starken gemeinsamen Marke Siemens zu geben“, begründete Kaeser den Schritt. Vor diesem Hintergrund habe Siemens sein Energiegeschäft abgespalten und es Ende September als Siemens Energy an die Börse gebracht. „Zusammen mit Siemens Heal-thineers und der Siemens AG gibt es nun drei börsennotierte Gesellschaften des Siemens-Ökosystems.“

Abgesehen vom Firmennamen ist die Münchner Siemens AG nur noch über Aktienpakete mit den Unternehmen verbunden. An Siemens Healthineers mit Sitz in Erlangen hält der Konzern 85 Prozent der Aktien. Die beteiligung an Siemens Energy liegt bei 45 Prozent. Die Firmenzentrale soll in Berlin entstehen, formal bleibt München Unternehmenssitz.

Angesichts der Corona-Pandemie habe Siemens „gerade noch rechtzeitig“ die wichtigsten Meilensteine des strategischen Konzepts erreicht, sagte Kaeser. „Mit drei starken Unternehmen in ihren jeweiligen Branchen haben wir den Grundstein dafür gelegt, gestärkt aus der Krise hervorzugehen.“ Dies sei auch deshalb so, weil Siemens sich auf Bereiche konzentriere, die aufgrund globaler und gesellschaftlicher Trends besonders attraktive Chancen böten. Gemeint ist etwa der Trend zur Digitalisierung in der Medizintechnik bei Siemens Healthineers oder die Energiewende, mit der sich Siemens Energy konfrontiert sieht. Die Pandemie werde die digitale Transformation in allen Bereichen der Wirtschaft beschleunigen, sagte Kaeser. „Und es wird die Unternehmen belohnen, die die Krise gut meistern.“ Mit diesem Satz dürfte Kaeser vor allem sein eigenes Unternehmen gemeint haben.

Die Bilanzkennzahlen des Geschäftsjahres 2020, das bei Siemens Ende September zu Ende ging, geben Kaeser bislang Recht. Unterm Strich lag der Konzerngewinn bei 4,2 Milliarden Euro, dank eines „bemerkenswerten“ vierten Quartals, wie Kaeser betonte. Demnach verdiente Siemens zwischen Juli und September 1,9 Milliarden Euro, das ist fast die Hälfte des gesamten Jahresgewinns. Spurlos ging die Pandemie an Siemens aber nicht vorbei: 2019 lag der Jahresgewinn – ohne Siemens Energy – bei 5,6 Milliarden Euro. Auch der Umsatz schrumpfte 2020 auf 57,1 Milliarden Euro. Im Vorjahr waren es ohne Siemens Energy 60 Milliarden. Ohne das Herausrechnen des Energiegeschäfts sind die Rückgänge deutlicher (siehe Grafik).

Das bekommen auch die Aktionäre zu spüren. Erstmals seit Kaesers Amtsantritt 2013 soll die Dividende gekürzt werden – von 3,90 Euro im Vorjahr auf 3,50 Euro je Aktie. Jetzt soll es wieder aufwärts gehen, ist sich Kaesers Nachfolger Roland Busch sicher. Formal ist Busch bis zur Hauptversammlung im Februar noch Vize, faktisch ist er seit Oktober der neue Geschäftsführer. „Trotz der Einschränkungen und der wirtschaftlichen Auswirkungen durch Corona blicke ich sehr optimistisch in die Zukunft“, sagte Busch. Bei Gewinn und Umsatz rechnet er mit einem „moderaten“ Wachstum. Dabei habe er die Kosten „stets im Blick“. Einsparungen von rund einer Milliarde Euro bis 2023 sind bereits eingeplant, nun will Busch zusätzlich 130 Millionen Euro einsparen.

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