Santander kauft Wirecard

von Redaktion

München – Kurz vor der ersten Gläubigerversammlung beim Skandalkonzern Wirecard kauft die spanische Großbank Santander das Kerngeschäft des insolventen Zahlungsabwicklers. Die Spanier übernehmen Technologie und Geschäftsbetrieb, die rund 500 noch verbliebenen Mitarbeiter können ebenfalls wechseln. Das teilten Insolvenzverwalter Michael Jaffé und Santander mit. Am heutigen Mittwoch will Jaffé bei der ersten Gläubigerversammlung in München über die Lage des nach einem Betrugsskandal zusammengebrochenen und hoch verschuldeten früheren Dax-Konzerns berichten.

Knapp drei Monate nach der formellen Eröffnung des Insolvenzverfahrens übernehmen die Spanier damit die Wirecard-Technologieplattform für Bezahldienstleistungen, die dafür notwendigen Vermögenswerte und das Personal. Der Großteil der noch verbliebenen Wirecard-Mitarbeiter und die Plattform sollen Teil des Händlerservice-Teams von Santander werden, aber an ihren bisherigen Arbeitsplätzen verbleiben können. Der Kaufpreis beträgt dem Vernehmen nach mehr als 100 Millionen Euro. Darüber berichteten mehrere Medien. Jaffé und Santander haben jedoch Stillschweigen vereinbart. Der Deal soll bis Ende des Jahres endgültig unter Dach und Fach sein.

Nicht von den Spaniern übernommen werden die Wirecard-Firmen – damit erspart sich Santander sowohl deren Schulden als auch rechtliche Risiken. Dabei handelt es sich im wesentlichen um die Muttergesellschaft Wirecard AG, die Töchter Wirecard Technologies und Wirecard Acquiring and Issuing sowie die Wirecard Bank. Die Bank soll in enger Abstimmung mit der Finanzaufsicht Bafin schrittweise abgewickelt werden.

Zuvor hatte Jaffé bereits die frühere Wirecard-Tochter in den USA und weitere Gesellschaften in Brasilien und Rumänien verkauft, die Gesamterlöse belaufen sich bislang nach Informationen aus Finanzkreisen auf eine halbe Milliarde Euro. Diese Erlöse kommen den Gläubigern zugute. Weitere Verkäufe in Asien, Südafrika und der Türkei sind geplant.

Dass Jaffé den Schuldenberg abtragen kann, den der in Untersuchungshaft sitzende frühere Vorstandschef Markus Braun und seine mutmaßlichen Komplizen hinterlassen haben, gilt jedoch als sehr unwahrscheinlich. Nach Berechnungen der Münchner Staatsanwaltschaft haben Banken und Investoren mutmaßlich mehr als drei Milliarden Euro verloren. Der Vortrag des Insolvenzverwalters auf der Gläubigerversammlung im Münchner Löwenbräukeller wird mit Spannung erwartet. Bisher ist unbekannt, wie hoch die angemeldeten Forderungen der Gläubiger sind.

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