München – Das neue Auto schlug ein wie eine Bombe. Als 1962 der – der Übernahme durch Daimler knapp entgangene – Autobauer BMW seine neue Klasse vorstellte, kamen die Konkurrenten ins Grübeln. Vor allem der Motor war dafür verantwortlich. 1,5 bis zwei Liter Hubraum, laufruhiger und leistungsfähiger als alles, was auf dem Markt zu finden war.
Noch 15 Jahre später begann die Grundkonstruktion eine zweite, erfolgreiche Karriere in der Formel 1. Und dieser Motor aus München war der Ausgangspunkt für alles, was BMW auch später an Benzinmotoren für Autos baute: Mit vier, sechs, acht und zwölf Zylindern, auch im Einsatz für McLaren und Rolls-Royce. Das alles ist bald Geschichte. Denn für Motoren aus München ist in München kein Platz mehr.
Nur noch einige wenige Arbeiter fertigen dann – wie die Kollegen aus dem Werk Landshut – Komponenten für Verbrenner, die dann in die BMW-Motorenwerke in Steyr (Österreich) und Hams Hall (England) geliefert werden. Nur die elektrischen Antriebe der Bayerischen Motorenwerke kommen künftig noch aus Bayern, genauer Dingolfing.
Doch vermutlich hatten die BMW-Verantwortlichen gar keine Wahl. Das vor rund 100 Jahren auf der grünen Wiese hochgezogene Werk steht beengt mitten im dicht bebauten München-Milbertshofen. Schon beim Bau der Lackiererei (2016 bis 2018) standen die Planer vor dem Problem, wie man so viel Fabrik auf so wenig Platz unterbringen kann. Es gelang, indem man beim Planen Stockwerk über Stockwerk stapelte – bis alles drin war. Der Kunstgriff ist bei der Fahrzeugmontage so nicht machbar. Nach vielen kleineren und einigen größeren Umbauarbeiten sind die Gemäuer am Ende der Möglichkeiten angelangt. Und wer heute plant, muss dabei an Autos denken, die 2035 oder 2045 modern sein werden.
So werden die Hallen, in denen heute noch Benzinmotoren entstehen, abgerissen und an ihrer Stelle eine völlig neue Fahrzeugmontage gebaut. Es ist die zweite nach der im Werk Ungarn, das für die bislang geheimnisumwitterte neue „Cluster-Architektur“ für künftige BMW-Modelle ausgelegt wird.
Ein wenig lüftete gestern BMW-Produktionsvorstand Milan Nedeljkovic den Schleier über dieser Architektur. Es wird noch Verbrennungsmotoren geben, und diese treiben nicht nur einen Stromgenerator an. Sie übertragen Kraft ganz traditionell mechanisch auf Achse und Räder. Damit ist klar: Noch verabschiedet sich BMW nicht völlig vom Verbrenner.
Dafür aber von einer bisher sehr umstrittenen Glaubensfrage von BMW-Fans: Frontantrieb (wie beim Mini und den kleinen BMW) oder Motor vorn und Antrieb hinten (wie bei den großen Modellen)? Die Unterscheidung gibt es bei der neuen Plattform nicht mehr: Elektromotoren passen problemlos vorne wie hinten rein. Und Benziner oder Diesel werden ohnehin von Elektromotoren an der jeweils anderen Achse unterstützt.
Sie müssen voraussichtlich kompakter werden. So kann man darüber spekulieren ob es Acht- oder Zwölfzylindermotoren dann noch gibt. Diese Aggregate waren bisher der Stolz der Münchner Motorenbauer. Sie wandern nun ab ins Motorenwerk Hams Hall. Das passt durchaus zu ihrem Haupteinsatzzweck im noblen Rolls-Royce aus dem englischen Goodwood.
Dass die britischen Luxuskarossen dauerhaft so traditionell angetrieben werden können, ist gestern unwahrscheinlicher geworden. Premierminister Boris Johnson will Verbrenner im Königreich ab 2030 verbieten und Hybride ab 2035. Allerdings wird es auch dann noch Länder geben, in denen die Infrastruktur für Elektromobilität fehlt. BMW hat angekündigt, diese Märkte zu bedienen.
Dennoch leitete die gestrige Ankündigung den Abschied von etwas ein, das die Bayerischen Motorenwerke seit über 100 Jahren erfolgreich produziert haben: Verbrennungsmotoren für Werkstätten, Autos, Motorräder, Roller, Flugzeuge, Boote und sogar vereinzelt für Wohnmobile. –