Harter Sparkurs: MAN vor frostigem Winter

von Redaktion

VON MARTIN PREM UND THOMAS SCHMIDTUTZ

München – Es gerade einmal zwölf Jahre her. Da feierte sich MAN als das mit 250 Jahre älteste deutsche Industrieunternehmen. Viel davon ist nicht mehr übrig. Der Mischkonzern ist seit der Auslagerung der Großmotorenproduktion in Augsburg und anderer Maschinenbauaktivitäten zerschlagen. Und vom Rest, der Nutzfahrzeugsparte, sind Teile infrage gestellt. MAN Truck & Bus gehört neben Scania zu Traton, einer VW-Tochter.

Bei einer virtuellen Betriebsversammlung am Freitag hat Andreas Tostmann, der Chef, an die MAN-Belegschaft eine klare Botschaft: Das MAN-Werk im österreichischen Steyr sowie die Komponenten-Fertigung in Salzgitter seien „nicht profitabel“, erklärte Tostmann laut Teilnehmern. Hier müsse man reagieren. „Steyr wird wohl nicht mehr zu retten sein“, sagte ein MAN-Mitarbeiter nach der Veranstaltung gegenüber unserer Zeitung. MAN baut an seinem Standort in der Nähe von Linz die leichte und mittlere Baureihe (TGL und TGM), unter anderem für den innerstädtischen Verteilerverkehr. Das Marktsegment schrumpft seit Jahren.

Die ebenfalls von tiefen Einschnitten bedrohten Standorte München und Nürnberg sollen dagegen auch nach der geplanten Neuaufstellung des Konzerns eine tragende Rolle spielen. Nach den Plänen soll München auch langfristig das Hauptwerk bleiben und zum Kompetenzzentrum für E-Mobilität ausgebaut werden, heißt es aus Konzernkreisen. Das Motorenwerk in Nürnberg soll künftig das zentrale Produktionswerk für konventionelle sowie künftige Antriebe sein.

Sollte Steyr dichtgemacht werden, wird auch das Werk München in Mitleidenschaft gezogen. Im größten MAN-Werk werden neben den schweren Lkw auch Fahrerhäuser und Antriebsachsen für die kleinen Baureihen produziert. Das sind Arbeiten, die wegfallen würden.

Wie ernst die wirtschaftliche Lage bei dem Lkw-Bauer ist, hatte Tostmann bereits am Donnerstag in einem Gespräch mit unserer Zeitung deutlich gemacht. „Wir gehen mit sehr strikten Lockdown-Regeln ins nächste Jahr“, hatte der MAN-Chef im Vorfeld der Betriebsversammlung erklärt. Daher werde sich das Jahr 2021 „für MAN sicherlich sehr schwierig gestalten“. Für 2022 strebe man aber einen „deutlichen Verbesserungshub an“. Tostmann bekräftigte frühere Aussagen, wonach der Konzern im laufenden Jahr mit tiefroten Zahlen rechnet. Man gehe bis Jahresende von einem operativen Verlust von „rund einer halben Milliarde Euro aus“.

MAN Truck & Bus hatte am 11. September ein umfassendes Sanierungsprogramm angekündigt und will insgesamt 1,8 Milliarden Euro einsparen. Dabei sollen 9500 Arbeitsplätze wegfallen. Ende September hatte der Vorstand zudem die bis 2030 laufenden Beschäftigungs- und Standortsicherungsvereinbarungen gekündigt. Damit wären betriebsbedingte Kündigungen möglich.

Seither hat sich die Lage weiter zugespitzt. Der Betriebsratsvorsitzende von MAN, Saki Stimoniaris, hatte Verhandlungen wegen fehlender Verhandlungsbereitschaft des Managements bereits unterbrochen. Er sprach von einer drohenden „Abwicklung“ von MAN, und forderte Kompromissbereitschaft ein. Die durch Corona zusätzliche angespannte Lage erschwert es den Arbeitnehmern womöglich, ihren harten Kurs durchzuhalten. Am Ende könnte Stimoniaris gar nichts übrig bleiben, als an den Verhandlungstisch zurückzukehren und eine ganze Reihe giftiger Kröten zu schlucken – um noch Schlimmeres zu verhindern.

Bitter für die Betriebsräte: Sie waren es, die die Übernahme durch VW begrüßt und vorangetrieben haben, in der Hoffnung, ähnlich arbeitnehmerfreundliche Bedingungen zu bekommen wie ihre Kollegen in Wolfsburg. Davon ist derzeit nichts zu spüren. Es sieht nach einem frostigen Winter für die jüngste Tochter im VW-Imperium aus.

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