USA sehen Nord Stream 2 vor dem Aus

von Redaktion

VON CAN MEREY UND MICHAEL FISCHER

Washington – Die US-Regierung sieht die deutsch-russische Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 vor dem Aus und erhöht den Sanktionsdruck auf beteiligte europäische Unternehmen. „Diese Pipeline findet nicht statt“, sagte ein hochrangiger US-Regierungsvertreter der Nachrichtenagentur dpa in Washington. „So sieht eine sterbende Pipeline aus.“ Die Regierung hätte eine Anzahl Unternehmen und Personen identifiziert, denen nach dem Sanktionsgesetz gegen Nord Stream 2 erste Strafmaßnahmen drohten. Die Betroffenen würden derzeit kontaktiert und über die drohenden Sanktionen informiert.

„Die USA wollen keine Sanktionen gegen europäische Unternehmen verhängen müssen. Wir machen diese Anrufe, um sie zu warnen und ihnen Zeit zum Aussteigen zu geben“, sagte der Regierungsvertreter. Anstatt mehr Geld in die Pipeline zu stecken, wären Unternehmen besser beraten, Klauseln über höhere Gewalt anzuwenden, sagte der Regierungsvertreter. Angaben dazu, welche Unternehmen konkret kontaktiert würden, machte er nicht.

In der deutschen Wirtschaft und Politik lösten die Drohungen Empörung aus. „Unter Bündnispartnern ist ein solches Vorgehen völlig indiskutabel“, sagte der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Oliver Hermes. „Wir fordern die scheidende Administration in Washington dazu auf, die europäische Souveränität zu achten und wieder umfassend mit deutschen und europäischen Behörden zu kooperieren.“ Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Achim Post, sprach von „Kraftmeierei“. Deutlicher wurde der Vorsitzende des Bundestags-Wirtschaftsausschusses, Klaus Ernst: „Wenn die USA von diesen Mafia-Methoden nicht abrücken, muss Europa Gegenmaßnahmen ergreifen, etwa Strafzölle auf US-Gas erheben oder Sanktionen gegen Personen verhängen, die sich bei der Schutzgelderpressung besonders hervortun“, so der Linken-Politiker.

Durch die zwei jeweils rund 1200 Kilometer langen Leitungen von Nord Stream 2 sollen künftig pro Jahr 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas von Russland nach Deutschland gepumpt werden. Die etwa 9,5 Milliarden Euro teure Pipeline ist zu 94 Prozent fertig. Die USA laufen aber seit Jahren Sturm dagegen, weil sie eine zu große Abhängigkeit ihrer europäischen Partner von russischem Gas sehen. Unterstützt werden sie von osteuropäischen Staaten wie Polen und den baltischen Ländern. Im Raum steht aber auch der Vorwurf, die USA wollen einfach nur ihr Flüssiggas in Europa verkaufen.

Im Dezember 2019 waren die Bauarbeiten vor der dänischen Insel Bornholm abrupt gestoppt worden, weil die beiden Schweizer Verlegeschiffe unter dem Sanktionsdruck der USA ihre Arbeit eingestellt hatten. Der US-Kongress hatte zuvor das „Gesetz zum Schutz von Europas Energiesicherheit“ (Peesa) mit parteiübergreifender Unterstützung verabschiedet, US-Präsident Donald Trump setzte es in Kraft. Der russische Präsident Wladimir Putin kündigte daraufhin an, die Arbeiten eigenständig zu Ende bringen. Auch das Betreiberkonsortium hatte betont, die Pipeline fertigstellen zu wollen. Das russische Verlegeschiff „Akademik Tscherski“ liegt aber seit einiger Zeit im Hafen auf Rügen. Und auf der Pipeline-Baustelle vor Bornholm tut sich seit fast einem Jahr nichts.

In Berlin hofft man nun, dass die anstehende Ablösung Trumps durch den Demokraten Joe Biden im Weißen Haus eine Wende bringt. Der hatte aber bereits als US-Vizepräsident unter Barack Obama die Pipeline „einen fundamental schlechten Deal für Europa“ genannt.

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