Weniger Pleiten, doch die Welle kommt

von Redaktion

Frankfurt – Ausgerechnet im Corona-Jahr 2020 ist die Zahl der Pleiten auf den niedrigsten Stand seit 1993 gerutscht. Rund 16 300 Firmen mussten nach Angaben der Wirtschaftsauskunftei Creditreform aufgeben, gut drei Prozent weniger als 2019, als es 18 830 waren. In Bayern ging die _Zahl der Insolvenzen ebenfalls zurück. Die Insolvenzquote im Freistaat sank von 45 auf 38 je 10 000 Unternehmen.

Im kommenden Jahr wird sich die Situation nach Angaben des Creditreform-Experte Patrik-Ludwig Hantzsch aber drastisch ändern. Er rechnet mit einem Anstieg der Insolvenzen auf dann 24 000. Das entspricht in etwa auch den Erwartungen der Bundesbank. Es wäre der höchste Stand seit 2014.

Für die überraschend moderate Pleiten-Entwicklung in diesem Jahr sind nach Angaben von Creditreform mehrere Gründe verantwortlich:

. Zum einen hat es mehr Zusammenbrüche großer Firmen und deutlich weniger bei kleineren Unternehmen gegeben.

. Vor allem aber haben die Corona-Hilfen der Bundesregierung, der Förderbank KfW sowie von Ländern und Gemeinden viele Unternehmen über Wasser gehalten.

. Und zudem war die Pflicht, Insolvenz anzumelden, von Anfang März bis Ende September komplett ausgesetzt. Bis Jahresende gilt das noch für überschuldete Firmen.

„Im laufenden Jahr hat sich das Insolvenzgeschehen als Seismograf für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung vom wirklichen Zustand der deutschen Unternehmen entkoppelt“, sagt Hantzsch. Sehr viele Unternehmen seien am Markt geblieben, die unabhängig von der Corona-Krise eigentlich nicht überlebensfähig seien, der Strukturwandel werde teilweise verzögert. Besonders bei Kleinbetrieben sei die Zahl der Pleiten deshalb spürbar geringer gewesen.

Viele Großunternehmen freilich konnten sich trotz der Hilfen und Erleichterungen nicht über Wasser halten. Hier erhöhte sich die Zahl der Pleiten überdurchschnittlich. Die größten waren die der Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof, und im Modeeinzelhandel Esprit, Hallhuber und Bonita, die Friseurkette Klier, die Restaurantkette Vapiano und natürlich der Zahlungsdienstleister Wirecard.

Vor allem diese Zusammenbrüche sorgten für einen drastischen Anstieg der Schadenssumme und der Einbußen für Gläubiger von 23,5 Milliarden auf 34 Milliarden Euro. Das ist so viel wie zuletzt 2012. Bei Galeria Karstadt Kaufhof verzichteten Gläubiger beim Insolvenzplan auf rund zwei Milliarden Euro. Auch die Zahl der betroffenen Arbeitsplätze erhöhte sich rasant von 218 000 auf 332 000. Allein bei Galeria Karstadt Kaufhof ging es um 28 000 Menschen. Die Kaufhauskette flüchtete im April in ein Schutzschirmverfahren.

Bei kleineren Unternehmen mussten, so Creditreform, vor allem Diskotheken, Tanzlokale, private Sicherheitsdienste und Gastronomiebetriebe, die besonders vom Getränke-Verkauf leben, aufgeben. Im Handel dagegen seien die Insolvenzen, so Creditreform, trotz des Lockdowns im Frühjahr um 16 Prozent zurückgegangen. Ähnlich sieht es im Baugewerbe aus. In vier von fünf Fällen hatten Pleite-Unternehmen in diesem Jahr höchstens fünf Beschäftigte.

Nach Überzeugung von Hantzsch wird sich das Insolvenzgeschehen im nächsten Jahr nicht nur zahlenmäßig deutlich ändern. Branchen wie Autoindustrie, Luftfahrt und Einzelhandel stünden ohnehin vor drastischen Umwälzungen. „Insbesondere für Gastronomie, Einzelhandel oder die Messe-, Reise- und Veranstaltungsbranche hat die Rezession massive Auswirkungen auf die Liquiditäts- und Finanzlage. Das wird sich ab dem kommenden Jahr dann in den Insolvenzzahlen niederschlagen“, sagt der Creditreform-Experte.

Dann wird sich auch das Bild bei den Privatinsolvenzen wieder ändern. Für dieses Jahr meldet Creditreform hier einen Rückgang um deutliche 27 Prozent auf 45 800. Grund seien neben Einschränkungen bei der Schuldnerberatung und bei Behörden durch die Pandemie vor allem die Pläne der Bundesregierung zur Reform des Insolvenzrechts. So soll die Restschuldbefreiung auf von derzeit sechs auf drei Jahre verkürzt werden. „Bei der hohen Zahl an überschuldeten Verbrauchern sind aber künftig steigende Privatinsolvenzen wahrscheinlich – insbesondere, falls die Wirtschaftskrise anhält oder sich weiter verschärfen sollte“, heißt es bei Creditrefom VON ROLF OBERTREIS

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