München – Voriges Jahr um diese Zeit wollten die Aktionärsschützer der SdK noch kein Wort über Wirecard verlieren. „Wir hatten Angst“, erklärt SdK-Chef Daniel Bauer heute. Wirecard habe Kritikern Schläger auf den Hals gehetzt und sei einzigartig aggressiv gewesen. „Wir haben alle Familien und haben Wirecard als mafiöse Struktur, als Teil des organisierten Verbrechens wahrgenommen“, sagt der SdK-Chef zur Zurückhaltung im Vorjahr. Nun aber sitzen deren Topmanager in Haft oder sind auf der Flucht, der Konzern ist entlarvt. Die SdK nennt ihn nun offen die Mutter aller Bilanzskandale in Deutschland.
„Für Wirecard-Kritiker waren die letzten Jahre ein Ritt durch die Hölle“, sagt Bauer. Bereits 2008 habe die SdK erkannt, dass etwas nicht stimmt, sei aber ignoriert worden. Schwere Vorwürfe erheben Bauer und SdK nicht nur gegen die deutsche Finanzaufsicht Bafin und den Wirecard-Wirtschaftsprüfer EY, sondern auch gegen die im Betrugsfall nun ermittelnde Staatsanwaltschaft München. „Die Voreingenommenheit der Staatsanwaltschaft gegenüber Anlegern verhalf Wirecard entscheidend dazu, Kritiker des Öfteren mundtot zu machen“, kritisieren die Aktionärsschützer in ihrem diesjährigen Schwarzbuch Börse, das sich in weiten Teilen dem Fall Wirecard widmet.
Die Vorwürfe der SdK gehen auf das Jahr 2008 zurück. Damals hatte sie dubiose Wirecard-Zukäufe mit im Dunkeln bleibenden Verkäufern angeprangert, ohne vom Konzern Antworten zu erhalten. „Stattdessen wurde bedroht und diffamiert“, sagt Bauer. Es habe auch Cyberangriffe auf das E-Mail-System und die SdK-Webseite gegeben. Aber Bafin und Staatsanwaltschaft seien Hinweisen auf fragwürdige Transaktionen bis hin zu möglichen Gesetzesverstößen beim heutigen Pleitekonzern nicht nachgegangen. Wirecard habe sein Spiel weitertreiben und Milliardensummen vernichten können.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass 2008 ein SdK-Vorstand geheim auf fallende Wirecard-Kurse spekuliert hatte, was dann ans Tageslicht kam und Kritiker wie Kritik angreifbar gemacht hatte. „Wir haben den Grundstein für die Ausreden von Wirecard geliefert“, räumt Bauer selbstkritisch ein. Aber die Staatsanwaltschaft hätte 2008 nicht nur gegen „böse Spekulanten“, sondern parallel auch gegen Wirecard ermitteln müssen. Stattdessen hätten sich Bafin und Staatsanwälte von Wirecard und seinen Helfern vor deren Karren spannen lassen und lange ausschließlich gegen Wirecard-Kritiker ermittelt.
Das ist starker Tobak vor allem auch in Richtung Staatsanwaltschaft. „Wir können nur ermitteln, wenn es Anhaltspunkte gibt“, sagt eine Sprecherin der Münchner Staatsanwaltschaft in einer ersten Reaktion auf die Vorwürfe der SdK. Die heutigen Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen. Bislang stünden Vorgänge bis ins Jahr 2015 zurück im Fokus. Aber man sei dabei, auch in älterer Vergangenheit zu graben. Hart angegangen von der SdK werden auch Wirecard-Aufsichtsrat und die Wirtschaftprüfer von EY, denen sie völliges Versagen vorwirft. EY habe jahrelang mit Testaten ohne Wert ein perfektes Feigenblatt geliefert. Wirecard sei kein komplex zu prüfendes Unternehmen gewesen, aber EY habe nicht einmal Standardprüfungen vorgenommen. Würde überall so gearbeitet, könne man sich jede Abschlussprüfung sparen.
Die jüngste Stärkung der Bafin in ihren Aufsichtskompentenzen sieht die SdK kritisch. Erst einmal müsse bei der Bafin eine Sonderprüfung in Auftrag gegeben werden, um ihre Rolle im Wirecard-Skandal zu klären. „Die Bafin ist eine vorbelastete Behörde, was es nicht erlaubt, sie als Kontrollinstanz einzusetzen“, findet SdK-Vorstand Markus Kienle.